Was liegt, dass pickt!
Briefmarkensammeln ist ein aussterbendes Hobby. Eine Handvoll Pensionisten mit ihrem „Ersten Arbeiter Briefmarken Sammlerverein“ halten unbeirrt an ihrem liebsten Steckenpferd in einem Gemeindebau fest.
Der ABSV, so die Abkürzung, kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Er wurde am 12. Mai 1927 im Kaffee Rath in der Bankgasse im 1. Bezirk gegründet. Heute zählt er rund 1.300 Mitglieder, seine Zentrale ist in Ottakring, Koppstraße 100, im Schuhmeierhof beheimatet. Geht man über die vier Stufen und betritt das Vereinslokal, sieht man ein paar Pensionisten, die plaudern, Kaffee oder „Weißen Spritzer“ trinken.
Einer von ihnen ist der Obmann-Stellvertreter Peter Brazda. Er ist seit 18 Jahren Mitglied im Verein und hat seine Liebe fürs Sammlerobjekt schon früh entdeckt. „Als Kind habe ich meinen Eltern die Marken von den Briefen geschnitten. Meine erste war eine normale 60-Groschen-Marke!“ Heute hat er im Verein als Obmann-Stellvertreter administrative Aufgaben zu erfüllen. Dabei kommt das Plaudern mit den Kollegen aber nicht zu kurz.
Reger Handel mit Motiven
Im Nebenzimmer sitzt Wilhelm Molin, seit 46 Jahren beim ABSV. Er sortiert Marken in rosa Hefte ein. Wilhelm Molin ist ein sogenannter „Rundsendeleiter“: Er verschickt Marken an die Vereinskollegen der unterschiedlichsten Sektionen in ganz Österreich.
An ihm vorbei wieselt Gerhard Zirsky in ein kleines Büro, bekleidet mit Schirmkappe und einem Mantel. Er ist seit 1968 Vereinsmitglied, sammelt Briefmarken mit Eisenbahnmotiven und beliefert in regelmäßigen Abständen die Sammler mit Marken aus der UNO-City. Heute hat er neue Marken mit Pistolen- und Musik-Motiven im Gepäck. Er verkauft sie einem Kollegen und ruft noch „Tua weida, I muas jetzt gehen, mir rennt da Parkschein glei o!“
Mehr als bloß ein Stück Papier „Wer sich mit Briefmarken beschäftigt, muss in Geografie und Geschichte sehr bewandert sein, sonst hat man keine Freude damit“, so Alfred Schönhofer, ebenfalls ein langjähriger Marken-Aficionado.
Was zählt, ist die Leidenschaft
„Früher war es üblich, dass die Leute untereinander getauscht haben, heute wird das finanziell geregelt. Die Preise werden einem Katalog entnommen“, weiß Alfred Schönhofer, der gerade mit einer Pinzette Marken in seinem Album ordnet. „Gelegentlich
werden auch Nachlässe und Sammlungen von Verstorbenen von den Angehörigen hierher nach Ottakring gebracht, um geschätzt und verkauft zu werden. „Wertvolle Sachen sind da selten dabei“, so Brazda. Aber darum geht es den Herren ohnedies nicht. Hier zählen der ideelle Wert, die Sammelleidenschaft und der Austausch mit Gleichgesinnten.