Hickelgasse 12
Hickelgasse 12
Hickelgasse 12, 1140 WienBaujahr: 1928
Wohnungen: 13
Architekt: Adolf Paar, Hans Paar
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Im Einzugsgebiet des ehemaligen Betriebsbahnhofs der Wiener Verkehrsbetriebe an der Hütteldorfer Straße, wo sich vormals Äcker und Gärten befanden, erwarb die Gemeinde Wien ab 1924 zahlreiche Bauplätze, um sie für den Wohnbau zu nutzen. So entstanden zwischen Meiselstraße, Drechsler- und Gurkgasse Ende der 1920er Jahre zahlreiche Gemeindebauten, die durch ihre kontrastreiche Architektur diesen Teil des 14. Bezirks bis heute prägen.
Die Architektur
Das fünfgeschoßige Wohnhaus fügt sich in die bestehende Bebauung ein. Die Straßenfassade wird im Erdgeschoß durch zwei Geschäftslokale und das Eingangsportal symmetrisch gegliedert. In den Obergeschoßen sind über dem Eingang breite Halbloggien angeordnet, sie sind das zentrale Gliederungselement der Fassade. Die Rundfenster seitlich des Portals sowie die Rahmung der Loggien aus Klinkersteinen und dreiteiligen Schlusssteinen sind schmückende Details. Auf der Hofseite dominiert der turmartig von der Hauswand vortretende Bauteil des Stiegenhauses das Erscheinungsbild. An ihn schließen sich seitlich Gitterbalkone an. Mit seiner einfachen Fassadengliederung und dem sparsamen Einsatz von Gestaltungselementen ist der Bau ein interessantes Beispiel für die Abkehr von der expressiven Gemeindebauarchitektur der 1920er Jahre. Wie bei den Großwohnanlagen jener Zeit, erfüllt auch das kleine Wohnhaus die Forderungen nach einer optimalen Erschließung des Baus und einem geräumigen Hof. Auf jedem Geschoß befinden sich zwei bis drei Wohnungen mit eigenem Balkon. Der ursprünglich mit einer Brunnenanlage geplante Hof wurde mit dem des Gemeindebaus Cervantesgasse 3 verbunden.
Der Name
Die Straße ist seit 1893 nach dem Porträtmaler Joseph Hickel (1736-1807) benannt. Hickel war k.k. Kammermaler und Mitglied der Akademie der bildenden Künste. Er schuf zahlreiche Schauspielerportraits für die Galerie des Burgtheaters und porträtierte mehrfach Kaiser Joseph II.
Architekten
Adolf Paar - Der in Mähren geborene Adolf Paar (1889-1964) besuchte zunächst die Wiener Kunstgewerbeschule, bevor er nach geleistetem Kriegsdienst an der Technischen Hochschule Wien und an der Akademie der bildenden Künste bei Peter Behrens studierte, wo er 1923 sein Diplom erhielt. In Arbeitsgemeinschaft mit seinem Bruder Hans Paar plante er in den 1920er-Jahren mehrere Wohnanlagen für die Gemeinde Wien, so etwa den Plocekhof in Wien 20 (Denisgasse 54, 1925; zusammen mit Paul May) und das Wohnhaus Hickelgasse 12 in Wien 14 (1928). Ab 1930 waren die Brüder vorwiegend in ihrer alten Heimat Mähren tätig.
Hans Paar - Hans Paar (1892-1977) praktizierte nach seinem Studium an der Technischen Hochschule in Prag im Büro Gessner in Wien, wo er unter anderem am Ferdinand-Lassalle-Hof mitarbeitete. Mit seinem Bruder Adolf Paar und seinem Partner Paul May schuf er die beiden Gemeindebauten in der Hickelgasse in Wien 14 und Fultonstraße 3-11 in Wien 21. Nach Kriegsende zeigte Paar, der selbst in der Künstlersiedlung lebte und sich während des Zweiten Weltkrieges mit der Planung von Industriebauten beschäftigte, reges Interesse am Wiederaufbau in Wien.