Haberlgasse 74
Haberlgasse 74
Haberlgasse 74, 1160 WienBaujahr: 1938
Wohnungen: 28
Architekt: Erich Franz Leischner
Weitere Adressen
Friedmanngasse 46-48, 1160 Wien
Wohnen in Wien
Zu Beginn der 1930er-Jahre wurde der kommunale Wohnungsbau durch die zunehmend schlechte Wirtschaftslage massiv eingeschränkt. Um für die arbeitslose Bevölkerung trotzdem Wohnraum und Beschäftigung schaffen zu können, ging die Stadt dazu über, am Stadtrand liegendes Bauland zu erschließen und so genannte "Erwerbslosensiedlungen" zur Verfügung zu stellen. Die Siedlungshäuser wurden von den späteren Bewohnern nach einem vorgegebenen Bebauungsplan selbst errichtet. Durch die Ausschaltung des Parlaments und die Einführung einer autoritären ständestaatlichen Verfassung verlor Wien 1934 den Status eines eigenen Bundeslandes. Der Wohnbau kam so gut wie zum Erliegen, und die Arbeitslosigkeit stieg weiter. Der wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung versuchte die Stadt entgegenzuwirken, indem sie Bauland zur Gründung autarker Wohneinheiten bereitstellte und so die Bewohner aus dem Elend der traditionellen Arbeiterbezirke an den grünen Stadtrand absiedelte.
Geschichte
1929 erwarb die Stadtgemeinde Wien von einem Privatbesitzer ein Grundstück in der Reinhartgasse mit drei kleinen Wohnhäusern und einer Fabrikanlage. Einige Jahre später wurden diese Gebäude abgetragen und in den Jahren 1937/38 das Eckhaus Reinhartgasse 22-24 mit 30 Wohnungen und zwei Geschäftslokalen errichtet. Nach schwerer Beschädigung im Zweiten Weltkrieg wurde die Wohnhausanlage 1949/50 wiederhergestellt, wobei das kleinere der beiden Geschäftslokale in eine Wohneinheit umgewandelt wurde. 1959 wurde die Reinhartgasse zu einer Verlängerung der bereits bestehenden Haberlgasse. Seither trägt das Haus die Adresse Haberlgasse 74.
Die Architektur
Die blockartige Wohnhausanlage zeichnet sich vor allem durch ihre spannende Ecklösung an der Straßenecke Haberlgasse - Friedmanngasse aus. An der Straßenseite Haberlgasse dominiert ein zweiachsiger Erker die oberen drei Geschoße. Direkt darunter befindet sich der Hauseingang, der mit Kunststein dekoriert ist - übrigens das einzige dekorative Element an der sonst schlichten Fassade. An der Straßenseite zur Friedmanngasse tritt ein mächtiger, ebenfalls zweiachsiger Baublock vor die Fassade. Dieser wuchtige Baukörper erhält durch einen flachen Erker, der die gesamte Breite und Höhe dieses Blockes einnimmt, zusätzliche Bedeutung. Unter dem Erker liegt der Eingang zu einem ehemaligen Geschäftslokal mit Auslage. Ein schmales Klinkerband markiert den Gebäudesockel, unter dem Hauptgesims begrenzt ein dezenter Putzfries die Fassade. Die Dachsilhouette wird durch die Erkerverdachungen und mehrere Walmgauben belebt.
Der Name
Die Haberlgasse wurde nach dem Kaufmann und Bürgermeister von Neulerchenfeld, Johann Haberl (1864-1882), benannt. Vor der offiziellen Umbenennung 1959 hieß der Straßenzug Reinhartgasse.
Architekten
Erich Franz Leischner - Erich Franz Leischner (1887-1970) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien, u. a. bei Carl König. Bereits ab 1911 bis zu seiner Pensionierung 1949 war er für das Wiener Stadtbauamt tätig. Für das Rote Wien erbaute er neben zahlreichen Wohnhausanlagen unter anderem auch das Kongressbad (1928). In den 1930er-Jahren wurde nach seinem Konzept (gemeinsam mit Alfred Fetzmann) die Höhenstraße angelegt. Ab 1949 war er als selbständiger Architekt tätig. In dieser Zeit entstanden unter anderem die Rotundenbrücke (1953-1955) und die Salztorbrücke (1960-1961) nach seinen Entwürfen.