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Wiesberggasse 6b

Fakten

Wiesberggasse 6b

Wiesberggasse 6b, 1160 Wien

Baujahr: 1936-1937

Wohnungen: 67

Architekt: Karl Ehn

Weitere Adressen

Roseggergasse 18-22, 1160 Wien

Wohnen in Wien

Zu Beginn der 1930er-Jahre wurde der kommunale Wohnungsbau durch die zunehmend schlechte Wirtschaftslage massiv eingeschränkt. Um für die arbeitslose Bevölkerung trotzdem Wohnraum und Beschäftigung schaffen zu können, ging die Stadt dazu über, am Stadtrand liegendes Bauland zu erschließen und so genannte "Erwerbslosensiedlungen" zur Verfügung zu stellen. Die Siedlungshäuser wurden von den späteren Bewohnern nach einem vorgegebenen Bebauungsplan selbst errichtet. Durch die Ausschaltung des Parlaments und die Einführung einer autoritären ständestaatlichen Verfassung verlor Wien 1934 den Status eines eigenen Bundeslandes. Der Wohnbau kam so gut wie zum Erliegen, und die Arbeitslosigkeit stieg weiter. Der wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung versuchte die Stadt entgegenzuwirken, indem sie Bauland zur Gründung autarker Wohneinheiten bereitstellte und so die Bewohner aus dem Elend der traditionellen Arbeiterbezirke an den grünen Stadtrand absiedelte.

Geschichte

Die Wohnhausanlage in der Wiesberggasse 6b wurde als so genanntes "Familienasyl St. Elisabeth" mit weiteren sechs solcher Bauten, die ebenfalls nach Heiligen benannt wurden, im austrofaschistischen Ständestaat zwischen 1934 und 1938 von der Stadt Wien errichtet. Kinderreichen und von Obdachlosigkeit bedrohten Familien sollte damit Wohnraum zugesichert werden, besagt eine Gedenktafel im Hauseingang des Gemeindebaus. Tatsächlich lagen Größe und Ausstattung der Wohnungen jedoch deutlich unter dem Standard der Wohnbauten des "Roten Wien".

Die Architektur

Die L-förmige Schließung der Blockrandbebauung Ecke Wiesberggasse/Roseggergasse verlangte - als Wohnbau für die Bedürftigsten konzipiert - eine zurückhaltende Gestaltung. Dennoch ist es dem Architekten Karl Ehn gelungen, mit einfachsten Mitteln eine expressive Wirkung - die Fassaden sind symmetrisch gestaffelt - zu erzielen. Durch das abfallende Gelände weisen die letzten vier Fensterachsen der 17 Achsen langen Straßenfront in der Roseggergasse fünf Geschoße auf. Die restliche Fassade sowie die zehn Fensterachsen breite Front an der Wiesberggasse ist vier Geschoße hoch. Hier befindet sich auch der Durchgang in den begrünten Innenhof, in dem die vier Stiegenaufgänge liegen.

Die schmucklosen, glatten Hoffassaden werden nur von den Stiegenhäusern unterbrochen und vertikal gegliedert. Schlichte, blechgedeckte Portale umrahmen die Eingangstüren. Darüber springt die Fassade etwas zurück, endet mit einem runden Fenster und wird von kleinen, quadratischen Öffnungen flankiert. Das Satteldach ist hofseitig durchgehend ausgeführt, während es straßenseitig teilweise mit Gaupen ausgestattet ist.

... und die Kunst

In der Hauseinfahrt steht eine Steinfigur der Hl. Elisabeth, gestaltet von Anton Endstorfer. Als Sinnbild der Nächstenliebe verweist sie auf den christlich-katholischen Anspruch des austrofaschistischen Ständestaates an die Fürsorgemaßnahme der "Familienasyle".

Der Name

Die Wiesberggasse wurde 1913 nach dem Volkssänger Wilhelm Wiesberg (1850-1896) benannt. Der Wienerlied-Texter schrieb unter anderem "Der erste Schnee" und "Das hat ka Goethe g’schrieb’n, das hat ka Schiller ’dicht". Davor hieß die Wiesberggasse Herbststraße.

Architekten

Karl Ehn - Karl Ehn (1884-1959) studierte von 1904 bis 1907 an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Otto Wagner. Bereit 1908 trat er in den Dienst des Wiener Stadtbauamts. Vor dem Ersten Weltkrieg errichtete er vor allem Nutzbauten wie etwa Lagerhäuser für die Gemeinde Wien. In den 1920er- und 1930er-Jahren entstanden zahlreiche Wohnhausanlagen nach seinen Entwürfen, darunter auch sein prominentestes Bauwerk: der Karl-Marx-Hof in Wien 19. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war Ehn noch als Architekt tätig. Sein letztes Bauwerk, der Karl-Schönherr-Hof in Wien 9, wurde 1952 vollendet.