Richthausenstraße 3
Richthausenstraße 3
Richthausenstraße 3, 1170 WienBaujahr: 1924-1925
Wohnungen: 46
Architekt: Theodor Schöll
Weitere Adressen
Schadinagasse 14-16, 1170 Wien
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des 1. Weltkriegs wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Das Grundstück ist bereits seit 1908 im Besitz der Gemeinde Wien. 1913 befand sich angrenzend eine Wagenhalle der städtischen Straßenbahnen. An die sehr interessanten Straßenbahnhäuser des Architekten Rolf Geyling schloss das heutige Wohnhaus an. Vor dessen Errichtung verpachtete die Gemeinde Wien einige Zeit Parzellen des Grundstückes. So 1920 z. B. an einen Holzhändler, der hier einen Schuppen mit einer Holzzerkleinerungsanlage aufbauen ließ. 1924 wurde die Baugenehmigung für dieses Haus erteilt. Nachdem einzelne Parzellen zusammengezogen und umgewidmet worden waren, konnte das Wohnhaus errichtet werden.
Die Architektur
Die Eckanlage besteht aus zwei Gassentrakten. Die Wohnungen können über drei Stiegen erreicht werden, zwei Hauseingänge liegen in der Schadinagasse, einer in der Richthausenstraße. Alle drei Stiegen haben einen eigenen Zugang zu dem begrünten Innenhof. Die sachlich-moderne Gestaltung der Fassade ist für die 20er-Jahre überraschend modern und vorausgreifend. Auf unnötige Zierglieder wird verzichtet. An den Straßenseiten befindet sich je ein breiter Risalit, hinter dem die rückwärtige Fassadenschicht fast gänzlich verschwindet. Die niedrige Sockelzone reicht bis zu den Fensterbankgesimsen des Erdgeschoßes - es gibt hier zwei- bzw. dreiteilige unverzierte Rechteckfenster. Die unauffälligen Eingänge haben ein Vordach. Zwei der drei Eingänge liegen auf einem schmalen, etwas nach vorne ausholenden Fassadenelement, welches die Risalite vertikal auf ganzer Höhe teilt. Eine Achse mit schmalen hohen Fenstern betont die vertikale Teilung. Es handelt sich hierbei beinahe schon um eine durchlaufende Verglasung, wie sie später häufig eingesetzt wird. Dahinter befinden sich die Stiegenhäuser. Auffälligstes Gliederungselement an den Fassaden sind die horizontalen Fensterreihen der Hauptwohngeschoße. Jeweils zwei bzw. vier der auf den Risaliten befindlichen Doppelfenster sind durch rote Einfassungen gerahmt - hier wird den später in der Architektur häufig verwendeten Fensterbändern vorausgegriffen. Die Einfassungen sind der restlichen Fassade vorgelagert. Im obersten Geschoß reduziert sich der Rahmen auf ein rotes Sohlbankgesims, das die Fensterreihe miteinander verbindet. Die Risalite werden mit einem bebänderten, farblich korrespondierenden Dachgesims abgeschlossen, das von grauen Konsolen gestützt wird. An den Seiten der Risalite befinden sich kleine Abortfensterluken. Die Fassade ist an der Gassenecke etwas geöffnet - der sonst von den Risaliten verdeckte, hintere Fassadenteil ist zu sehen. Auf diesem Fassadenteil dominieren vertikale, leicht zurückspringende Fensterachsen. Die Fassade ist zu den Straßen hin eigentlich asymmetrisch aufgebaut, nähert man sich dem Haus jedoch vom Leopold-Kunschak-Platz, und betrachtet die Eckkante als Mittelachse der Fassade, so eröffnet sich Symmetrie.
Der Name
Die Richthausenstraße wurde 1894 nach Konrad Richthausen (1604-1663) benannt, der sich das Prädikat "Freiherr von Chaos" gewählt hatte. Er war Chemiker, Münz- und Bergfachmann, später Oberkammergraf in den ungarischen Bergstädten und entwickelte neuartige Schmelzmethoden. Sein Vermögen vermachte er nach seinem Ableben einer Stiftung, dem "Chaosschen Stiftungshaus", einer Einrichtung für Waisenkinder. Die Schadinagasse wurde 1984 nach dem Ottakringer Pfarrer Johann Baptist Schadina (1683-1688) benannt.
Architekten
Theodor Schöll - Theodor Schöll (1895-1980) wurde zunächst als Maurer ausgebildet, bevor er 1924 an der Akademie der bildenden Künste in die Meisterklasse von Peter Behrens aufgenommen wurde. Danach war er im Atelier von Robert Oerley mit Projekten zur Stadtverbauung betraut. In der Zwischenkriegszeit und unter dem Regime der Nationalsozialisten entstanden mehrere kleine Wohnhäuser nach seinen Plänen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von ihm das zerstörte Stadionbad neu konzipiert. Von 1956 bis 1959 erfolgte gemeinsam mit Franz Jakob die Renovierung und Erweiterung des Praterstadions.