Weidmanngasse 14
Weidmanngasse 14
Weidmanngasse 14, 1170 WienBaujahr: 1937-1937
Wohnungen: 18
Architekt: Konstantin Peller, Karl Julius Stoik
Weitere Adressen
Blumengasse 48, 1170 Wien
Wohnen in Wien
Zu Beginn der 1930er-Jahre wurde der kommunale Wohnungsbau durch die zunehmend schlechte Wirtschaftslage massiv eingeschränkt. Um für die arbeitslose Bevölkerung trotzdem Wohnraum und Beschäftigung schaffen zu können, ging die Stadt dazu über, am Stadtrand liegendes Bauland zu erschließen und so genannte "Erwerbslosensiedlungen" zur Verfügung zu stellen. Die Siedlungshäuser wurden von den späteren Bewohnern nach einem vorgegebenen Bebauungsplan selbst errichtet. Durch die Ausschaltung des Parlaments und die Einführung einer autoritären ständestaatlichen Verfassung verlor Wien 1934 den Status eines eigenen Bundeslandes. Der Wohnbau kam so gut wie zum Erliegen, und die Arbeitslosigkeit stieg weiter. Der wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung versuchte die Stadt entgegenzuwirken, indem sie Bauland zur Gründung autarker Wohneinheiten bereitstellte und so die Bewohner aus dem Elend der traditionellen Arbeiterbezirke an den grünen Stadtrand absiedelte.
Geschichte
Ab 1869 befand sich an dieser Stelle ein vom Architekten Franz Horak entworfenes einstöckiges Wohnhaus. Es bot Raum für ein Geschäftslokal und 17 Wohnungen. Das Grundstück wurde 1924 durch die Gemeinde Wien erworben, die 1931 das Gebäude abbrechen und 1937 das heutige Wohnhaus errichten ließ. In den 1930er-Jahren befand sich im Hofbereich eine Tischlerei mit Hobelwerk. Das Wohnhaus beherbergte ursprünglich 23 Wohnungen, die durch Zusammenlegungen, den nachträglichen Einbau von Sanitäranlagen und andere Adaptierungen auf die heutige Anzahl, 18, verringert wurden.
Die Architektur
Das viergeschoßige Eckhaus erstreckt sich auf L-förmigem Grundriss zwischen Weidmanngasse und Blumengasse. Insgesamt 18 Wohnungen können über eine hofseitig gelegene, kunststeinverkleidete Stiegenanlage erreicht werden. Die Straßenfassade ist in eine Sockelzone und drei Hauptwohngeschoße gegliedert. Die Sockelzone umfasst das Erdgeschoß und ist oberhalb eines schmalen, die Oberlichten der Kellergeschoßes einbindenden Sockelpodestes grob verputzt. Nach oben hin grenzt ein Zwischengesims den Sockelbereich von den Stockwerken ab. Die Fassadenteile sind auf keine frontale Ansicht hin konzipiert. Der Eingang befindet sich in der Weidmanngasse. Er ist in eine Nische eingelassen und durch ein Vordach abgeschlossen. Darüber erhebt sich ein erkerähnlicher Vorbau, der bereits in der Sockelzone oberhalb des Türsturzes ansetzt und - über das Zwischengesims hinweg - bis an das Hauptgesims heranreicht. Auf dem Erker befinden sich in der Sockelzone eine Figurendarstellung, in den Obergeschoßen dreiteilige Fenster. Die Fenster zur Blumengasse sind ebenfalls dreiteilig und paarweise angeordnet. In der Weidmanngasse bilden die zwei- und dreiteiligen Fenster links des Eingangsbereiches drei Achsen. Alle Fenster sind von schlichten Einfassungen umgeben und waren ursprünglich von Verzierungen bekrönt, doch wurden diese Zierglieder im Laufe der Zeit beschädigt und entfernt. Interessant ist die Gestaltung der Fenster an der Straßenecke. Analog zur paarweisen Anordnung in der Blumengasse sind links und rechts der Eckkante jeweils dreiteilige Fenster angebracht, die vertieft in die Fassade eingelassen sind. Sie werden durch gemeinsame, ausgeprägte Einfassungen miteinander verklammert. Der Bereich ist farblich wie auch durch das Material differenziert. Hinter dem Wohnhaus liegt ein begrünter Innenhof. An dieser Seite ist die Fassade schlicht und mit zwei- und dreiteiligen Fenstern versehen. Der Hof wird durch die Mauern von Nachbarhöfen begrenzt.
... und die Kunst
Oberhalb des Eingangs in der Weidmanngasse befindet sich ein figurales Relief, das Ernte und Weinlese zum Thema hat. Einer Frauenfigur werden Gaben dargebracht. Musikanten spielen dazu auf. Ähren, Weinreben, Blumen und Gräser umgeben die Gruppe. Das Sujet ist eng mit der Geschichte des Ortes verknüpft. In der Umgebung befanden sich einst Weinberge mit Hauersteigen, die sich noch heute in den Gassenverläufen widerspiegeln. Der Name des Künstlers ist nicht überliefert.
Der Name
Die Weidmanngasse wurde 1894 nach Franz Carl Weidmann (1787-1867) benannt, zuvor hatte sie Wilhelmsgasse geheißen. Weidmann war als Burgschauspieler, Schriftsteller, Kritiker und Topograph tätig und schrieb zahlreiche Bühnenwerke wie den "Ring des Glücks" (1833) sowie einige heimatkundliche Werke und illustrierte Reiseführer.
Architekten
Konstantin Peller - Konstantin Peller (1887-1969) studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien in der Meisterschule von Otto Wagner. Er arbeitete zunächst als freischaffender Architekt sowie für kurze Zeit mit Josef Ludwig, bevor er vor Beginn des Ersten Weltkriegs in das Wiener Stadtbauamt eintrat. Während seiner Tätigkeit in dieser Funktion entwarf er, oft in Zusammenarbeit mit Julius Stoik und Adolf Stöckl, mehrere städtische Wohnhausanlagen und war u. a. auch bei der Regulierung des Wienflusses tätig. 1945 wurde Peller zum Vorsitzenden der Stadtplanung und des Wiederaufbaus ernannt. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Wiener Stadtbauamt hat Konstantin Peller mit der Gestaltung einer Reihe von Wohnbauten die Architektur des Roten Wien entscheidend mitgeprägt.
Karl Julius Stoik - Karl Julius Stoik (1882-1954) studierte an der Akademie der Bildenden Künste in der Meisterklasse von Otto Wagner. Schon während seiner Ausbildung wurde ihm für seine Entwürfe 1905 der Pein-Preis verliehen. Stoik arbeitete zunächst als freischaffender Architekt und erhielt 1909 eine Anstellung im Wiener Stadtbauamt. In seiner dortigen Funktion war er unter anderem am Bau zahlreicher Wohnhausanlagen und Bauten der städtischen Infrastruktur beteiligt. Als Schüler von Otto Wagner hat er die Architektur des "Roten Wien" entscheidend mitgeprägt. In Zusammenarbeit mit Adolf Stöckl, der von der Technischen Hochschule kam, und Konstantin Peller, ebenfalls ein Schüler Otto Wagners, entstanden in den 1920er-Jahren vier Wohnhausanlagen im 21. Bezirk östlich der Brünner Straße. Die Gründe für Stoiks vorzeitige Pensionierung im Stadtbauamt in den 1930er-Jahren sind bis heute ungeklärt, hängen aber möglicherweise mit der damaligen politischen Situation zusammen.