Gentzgasse 79
Gentzgasse 79
Gentzgasse 79, 1180 WienBaujahr: 1926-1927
Wohnungen: 18
Architekt: Ludwig Schöne
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des 1. Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Dieses gediegene Wohn- und Geschäftshaus wurde in eine Baulücke am Rande der Wiener "Cottage" eingefügt. Nicht selten ist in solchen Fällen das Phänomen zu beobachten, dass die Architektur an die "bürgerliche Noblesse" der umliegenden Gebäude angepasst wird. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.
Die Architektur
Die klassizierende Fassade dieses fünfgeschoßigen Gebäudes orientiert sich sehr stark an den nebenan liegenden bürgerlichen Wohn- und Geschäftshäusern. Die Fassade ist in strenger Symmetrie angeordnet: Besonders auffällig erscheint der über die vier mittleren Achsen reichende Mansardgiebel. Die darunter liegenden Stockwerke zeigen jeweils acht regelmäßige Achsen mit dreiteiligen Fenstern. Äußerst schlicht präsentiert sich die Gestaltung im obersten Geschoß, welche derjenigen im 1. Stock entspricht, während im 2. und 3. Stock die jeweils zweite Achse von außen als kupfergedeckte Erker hervortreten. Diese sind durch horizontal verlaufende Dekorbänder in expressionistischen Formen verbunden. Im Erdgeschoß befindet sich eine Geschäftszone mit mittig gelegenem Hauseingang, der in einen ansprechenden Innenhof führt. Dessen Fassade entspricht der Straßenfront: Hier wiederholt sich die strenge Symmetrie, die Erker finden ihr Pendant in den beiden halbrund hervortretenden Stiegenhäusern. Ludwig Schöne, der sich vorwiegend als Architekt evangelischer Kirchen in historistischen Formen einen Namen gemacht hatte, gehörte zum konservativen Block in der Wiener Architekturszene, insbesondere unter den am Gemeindebau beschäftigten Architekten. Ein wesentliches Anliegen war ihm offenbar die Erneuerung eines alten Vokabulars.
... und die Kunst
Zwischen den gliedernden Dekorbändern finden sich im zweiten Stock vier Medaillons mit Tierdarstellungen.
Der Name
Die Gentzgasse wurde 1894 nach dem politischen Schriftsteller Friedrich von Gentz (1764-1832) benannt. Er verfasste 1809 und 1813 die Kriegsaufrufe gegen Napoleon. 1814/1815 war Gentz Protokollführer auf dem Wiener Kongress und danach enger Mitarbeiter des Fürsten Metternich.
Architekten
Ludwig Schöne - Der aus Leipzig stammende Architekt Ludwig Schöne (1845-1935) studierte in Leipzig und Hannover. Ab 1871 war er als freiberuflicher Architekt in Wien tätig, wo er bis 1914 zahlreiche Mietshäuser errichtete. Eines seiner prominentesten Bauwerke aus dieser Zeit ist das Managetta-Haus (Judenplatz 3-4, Wien 1). Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden nach seinen Plänen nur noch zwei Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien.