Karl-Höger-Hof
Karl-Höger-Hof
Lorystraße 40-42, 1110 WienBaujahr: 1925-1926
Wohnungen: 219
Architekt: Hugo Gorge, Franz Kaym, Alfons Hetmanek
Weitere Adressen
Grillgasse 26-30, 1110 Wien
Ehamgasse 5, 1110 Wien
Hakelgasse 15, 1110 Wien
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Den Ersten Weltkrieg hindurch bis in die 1920er-Jahre waren auf dem Gelände des heutigen Herderparks Kleingärten angelegt. Kurz nach 1920 begann die großzügige Randverbauung mit Wohnhausanlagen der Gemeinde Wien. Insgesamt sechs kommunale Wohnbauten entstanden rund um das Gelände, darunter auch der Karl-Höger-Hof, der kurz nach dem ebenfalls vom Architektenteam Kaym/Hetmanek/Gorge geplanten Friedrich-Engels-Hof entstand. Das Areal wurde nach Entwürfen des Gartenarchitekten Fritz Kratochwjle zu einer Parkanlage mit integriertem Kinderfreibad - eines der letzten noch original erhaltenen Kinderfreibäder aus dieser Zeit - umgestaltet, dessen Eröffnung am 4. Mai 1930 erfolgte. Während der Februarkämpfe 1934 war der Karl-Höger-Hof Schauplatz heftiger Gefechte, bei denen ein Schutzbündler und eine Frau getötet wurden. Während eines Luftangriffes im Dezember 1944 schlugen 15 Bomben in die Wohnhausanlage ein, wobei neun Bewohner ums Leben kamen. Am 22. Juli 1946 wurde im Hof von Bürgermeister Theodor Körner ein Gedenkstein für die getöteten Mieter enthüllt. Eine Tafel an der Fassade erinnert an die 1938 von den Nationalsozialisten vertriebenen Bewohner des Hauses.
Die Architektur
Die vier bzw. fünf Geschoße umfassende Wohnhausanlage umschließt beinahe vollständig das Geviert zwischen Hakelgasse, Grillgasse, Ehamgasse und Lorystraße. Nur an den Ecken Grillgasse/Lorystraße und Grillgasse/Ehamgasse befindet sich je ein Wohnhaus aus der Zeit um 1900. Die 17 Stiegenhäuser werden über einen großen und zwei kleine Innenhöfe erschlossen. Die an der Lorystraße liegende Durchfahrt reicht über zwei Geschoße. Die kräftige Torrahmung führt zu einer Monumentalisierung der Einfahrtssituation, die durch die großflächigen Putzfelder mit geometrischen Bandornamenten noch betont wird. Sie fassen jeweils vier Fenster zu einer Gruppe zusammen. Direkt unter dem Dachansatz ist die Front wie zur Bekrönung der Einganssituation in eine lang gezogene Loggia aufgebrochen. Flankiert wird der gesamte Eingangsbereich von zwei vertikalen Glasbändern der nachträglich eingebauten Aufzüge. Die seitlich liegenden Fassadenteile sind betont schlicht gehalten. Die Fenster sind mittels dezenter Rahmungen in die glatten Fronten eingeschnitten. Die lange Front zur Hakelgasse wird durch vier flache Anbauten der Aufzüge rhythmisiert. Auch hier sind je vier Fenster durch Putzornamente zu drei Einheiten zusammen gefasst. Bemerkenswert ist die abgeflachte Ecke zur Ehamgasse, in die markant gerahmte Fenster eingesetzt sind - ein dezenter städtebaulicher Akzent, wie er auch durch die hoch über dem rückseitigen Eingang in der Ehamgasse thronende Kugel gegeben ist.
Der Name
Eine Gedenktafel am Brunnen im Innenhof erinnert an den Namensgeber der Wohnhausanlage, den gelernten Buchdrucker Karl Höger (1847 - 1913). Höger bemühte sich besonders um die gewerkschaftliche Organisation seiner Berufskollegen und war ab 1877 selbst Redakteur der Gewerkschaftszeitung "Vorwärts". 1907 wurde er in den Reichsrat gewählt, dem er bis zu seinem Tode angehörte.
Architekten
Hugo Gorge - Hugo Gorge (1883-1934) studierte an der Technischen Hochschule sowie der Akademie der bildenden Künste in Wien. Der auch als Designer tätige Architekt war für die Gemeinde Wien beim Bau von mehreren Wohnanlagen beteiligt. Sein wohl bekanntestes Gebäude ist das 1930/32 errichtete Doppelhaus in der Werkbundsiedlung in Lainz.
Franz Kaym - Franz Kaym (1891-1949) begann nach einer abgeschlossenen Maurerlehre sein Architekturstudium bei Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste, das er 1913 abschloss. Nach dem Militärdienst im Ersten Weltkrieg eröffnete er 1920 mit seinem Studienkollegen Alfons Hetmanek ein Atelier. In der äußerst erfolgreichen Zusammenarbeit entstanden in den 1920er-Jahren zahlreiche Wohnanlagen nach dem Prinzip der Gartenstadt, wie etwa die Gemeindesiedlung Weißenböckstraße in Wien 11 oder die Siedlung Am Flötzersteig in Wien 14. Mangels Aufträgen wurde die Bürogemeinschaft 1935 aufgelöst. Als Mitglied der NSDAP und der SS verlor Franz Kaym 1945 vorübergehend seine Berufsbefugnis.
Alfons Hetmanek - Alfons Hetmanek (1890-1962) studierte in den Jahren 1912 bis 1915 bei Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete er mit seinem Studienkollegen Franz Kaym eine Ateliergemeinschaft, die bis 1935 bestand. Im Rahmen dieser erfolgreichen Zusammenarbeit wurden zahlreiche private und öffentliche Projekte realisiert, neben mehreren Wohnhausanlagen auch die Gartensiedlungen Weißenböckstraße (1922/23, Wien 11), "Am Flötzersteig" (1922-1931, Wien 14) und "Am Spiegelgrund" (1931-1934, Wien 16). Nach dem Zweiten Weltkrieg plante Alfons Hetmanek vor allem für den Wiederaufbau.