Friedrich-Engels-Hof
Friedrich-Engels-Hof
Ehamgasse 8, 1110 WienBaujahr: 1925-1926
Wohnungen: 174
Architekt: Hugo Gorge, Franz Kaym, Alfons Hetmanek
Weitere Adressen
Herbortgasse 11, 1110 Wien
Herderplatz 5, 1110 Wien
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Während des Ersten Weltkriegs und bis in die 1920er-Jahre waren auf dem Gelände des heutigen Herderparks Kleingärten angelegt. Kurz nach 1920 begann die großzügige Randverbauung mit Wohnhausanlagen der Gemeinde Wien. Insgesamt sechs kommunale Wohnbauten entstanden rund um das Gelände, darunter auch der Friedrich-Engels-Hof, der kurz nach dem ebenfalls vom Architektenteam Kaym/Hetmanek/Gorge geplanten Karl-Höger-Hof entstand. Das Areal wurde nach Entwürfen des Gartenarchitekten Fritz Kratochwjle zu einer Parkanlage mit integriertem Kinderfreibad, eines der letzten noch original erhaltenen Kinderfreibäder aus dieser Zeit, umgestaltet, deren Eröffnung am 4. Mai 1930 erfolgte. Unter dem Regime der Faschisten wurde das "S" vom Schriftzug "Engels-Hof" abmontiert, wodurch der Hof bis 1945 die harmlose Bezeichnung "Engel-Hof" trug. Eine Gedenktafel erinnert an die Opfer des Holocausts, die 1938 von den Nationalsozialisten aus diesem Haus vertrieben wurden. Die siebenjährige Toska Feuchtbaum und ihre Mutter wurden 1942 von Wien nach Izbica (Polen) deportiert und dort ermordet.
Die Architektur
Die zehn Stiegenhäuser beherbergende Wohnhausanlage erstreckt sich entlang des Herderplatzes von der Ehamgasse bis zur Herbortgasse. Zur Ehamgasse öffnet sie sich in einen kleinen dreieckigen Straßenhof. Hier befindet sich der monumentale, über zwei Geschoße reichende Durchgang zum großen Innenhof. Auf dem schlichten, jedoch massiv vor die Fassade gestellten Torrahmen ruht ein ebenfalls in einen Rahmen gesetztes Paar Spitzerker, die dem obersten Geschoß als Balkone dienen. Die Fenster der drei Obergeschoße sind mittels farblich abgehobener Vertiefung dezent gerahmt in die ansonsten glatte Fassade eingesetzt. Die lange Front zum Herderpark ist der Ellipsenform des Herderplatzes folgend konkav geschwungen. Dominiert wird sie von den beiden je zwei Fenster des dritten Stockwerkes einfassenden Erkern. Die Erker sind mit einem geometrischen Bandornament überzogen, das über einen schmalen Steg bis auf den langen, dem ersten Obergeschoß vorgelagerten Balkon reicht. Die vier flachen, turmartig überhöhten Anbauten der nachträglich installierten Aufzüge sorgen für eine ruhige Rhythmisierung der langen Front. Sie durchbrechen das ursprünglich durchgezogene Dachgesims, über dem sich das später ausgebaute Dachgeschoß erhebt. An der Schmalseite zur Herbortgasse befindet sich ebenfalls ein von zwei Liftanbauten flankierter Erker. Bemerkenswert an dieser Front ist auch das Gesims, das geknickt als Abgrenzung zum Nachbargebäude vertikal weitergeführt wird. Eine Brunnenanlage und Steinkugeln verleihen dem begrünten Innenhof eine repräsentative Note.
... und die Kunst
Geschmückt wird die Wohnhausanlage von den Steinskulpturen eines schreitenden Mannes und einer Frau, geschaffen von Karl Stendal.
Der Name
Die Wohnhausanlage ist nach Friedrich Engels (1820-1895), Historiker und Philosoph, benannt, der mit Karl Marx die als "Marxismus" bezeichnete Gesellschaftstheorie entwickelte. 1848 publizierten sie gemeinsam "Das Kommunistische Manifest".
Architekten
Hugo Gorge - Hugo Gorge (1883-1934) studierte an der Technischen Hochschule sowie der Akademie der bildenden Künste in Wien. Der auch als Designer tätige Architekt war für die Gemeinde Wien beim Bau von mehreren Wohnanlagen beteiligt. Sein wohl bekanntestes Gebäude ist das 1930/32 errichtete Doppelhaus in der Werkbundsiedlung in Lainz.
Franz Kaym - Franz Kaym (1891-1949) begann nach einer abgeschlossenen Maurerlehre sein Architekturstudium bei Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste, das er 1913 abschloss. Nach dem Militärdienst im Ersten Weltkrieg eröffnete er 1920 mit seinem Studienkollegen Alfons Hetmanek ein Atelier. In der äußerst erfolgreichen Zusammenarbeit entstanden in den 1920er-Jahren zahlreiche Wohnanlagen nach dem Prinzip der Gartenstadt, wie etwa die Gemeindesiedlung Weißenböckstraße in Wien 11 oder die Siedlung Am Flötzersteig in Wien 14. Mangels Aufträgen wurde die Bürogemeinschaft 1935 aufgelöst. Als Mitglied der NSDAP und der SS verlor Franz Kaym 1945 vorübergehend seine Berufsbefugnis.
Alfons Hetmanek - Alfons Hetmanek (1890-1962) studierte in den Jahren 1912 bis 1915 bei Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete er mit seinem Studienkollegen Franz Kaym eine Ateliergemeinschaft, die bis 1935 bestand. Im Rahmen dieser erfolgreichen Zusammenarbeit wurden zahlreiche private und öffentliche Projekte realisiert, neben mehreren Wohnhausanlagen auch die Gartensiedlungen Weißenböckstraße (1922/23, Wien 11), "Am Flötzersteig" (1922-1931, Wien 14) und "Am Spiegelgrund" (1931-1934, Wien 16). Nach dem Zweiten Weltkrieg plante Alfons Hetmanek vor allem für den Wiederaufbau.