Marchfeldstraße 16-18
Marchfeldstraße 16-18
Marchfeldstraße 16-18, 1200 WienBaujahr: 1971-1974
Wohnungen: 173
Architekt: Matthäus Jiszda II., Erwin Christoph
Weitere Adressen
Vorgartenstraße 28-32, 1200 Wien
Wohnen in Wien
In den 1970er-Jahren begann eine erste Sanierungswelle des Wohnungsaltbestands der Stadt Wien, um den Wohnstandard anzuheben. Zusätzlich wurden von 1972 bis 1977 rund 16.500 neue Wohnungen gebaut. Der Wohnungsmangel war beseitigt. Nun sollten sich neue Anlagen auch besser in ihre Umgebung einfügen, sich vom Straßenverkehr abwenden, öffentlich gut erreichbar und vor allem mit der nötigen Nahversorgung ausgestattet sein. Damit rückte auch ein Grundgedanke des "Roten Wien" aus den 1930er-Jahren wieder in den Mittelpunkt: Es wurde wieder Wert auf die Sozialisierung des Wohnens gelegt. 1978 wurde die Grundsteinlegung der 200.000sten Wohnung seit 1923 gefeiert.
Geschichte
Die große Wohnanlage liegt an der Mündung der Marchfeldstraße und der Vorgartenstraße in den weiträumigen Friedrich-Engels-Platz. Die Verlängerung der Marchfeldstraße führt über die Floridsdorfer Brücke und bildete lange Zeit in südlicher Richtung zur Innenstadt hin eine wichtige Verkehrsachse. Die ursprüngliche Brücke wurde in den Jahren 1872 bis 1874 etwa zeitgleich mit der alten Reichsbrücke erbaut. Sie trug damals den Namen Kaiser-Franz-Joseph-Brücke. An der Nordseite des Platzes waren während der 1930er-Jahre große Wohnstädte der Gemeinde Wien durch Rudolf Perco und gebaut worden. Die Vorgartenstraße durchquert auch heute noch die ehemals Zwischenbrücken genannte Ortschaft. Im Zuge der Donauregulierung verschwand ab 1862 der östliche Teil, während der Rest durch Rodung und Bebauung zum neuen Wohngebiet des 2. Wiener Gemeindebezirkes und 1900 ein eigener Bezirk, der 20., wurde. Die lange Verbindungs- und Wohnstraße verläuft ab dem Friedrich-Engels-Platz parallel zur Donau, durchquert den 20. und den 2. Bezirk und endet im Prater beim Ernst-Happel- Stadion. Um trotz des rasanten Bevölkerungsanstieges und der zunehmenden Wohnungsmisere um die Jahrhundertwende möglichst viele Grünflächen im Stadtgebiet zu erhalten bzw. zu schaffen, schrieb die Wiener Bauordnung von 1893 das Anlegen von Vorgärten vor den Wohnhäusern verpflichtend vor.
Die Architektur
Der große Wohnkomplex wurde auf dem Eckgrundstück Marchfeldstraße/Vorgartenstraße so positioniert, dass ein neungeschoßiger Bauteil über hakenförmiger Grundfläche an die Vorgartenstraße und zwei ebenfalls neungeschoßige, hintereinander gestaffelt angeordnete Wohnhäuser über rechteckiger Grundfläche an die Marchfeldstraße gesetzt wurden. Der zum Platz hin übereck errichtete dritte Bau, ebenfalls über rechteckiger Grundfläche, ist mit nur fünf Geschoßen bewusst niedriger gehalten. Sämtliche Gebäude haben ein Flachdach. Die Staffellung der Bauhöhen macht die gesamte Anlage und ihre Orientierung zum Friedrich-Engels-Platz hin sichtbar. Vor dem mit einer Geschäftszone im Erdgeschoß ausgestatteten Eckbau wurde eine Skulpturengruppe platziert.Über einer auch farblich abgesetzten Sockelzone mit querrechteckigen Lukenfenstern erfolgt die Gliederung der Baumassen im Wesentlichen durch den Wechsel von glatter und segmentiert erscheinender Fassade, an der die Fugen einzelner Baumodule sichtbar belassen sind. Vertikale Achsen übereinander angeordneter, tiefer Loggien und gleichförmige Fensterausteilung rhythmisieren die Bauten. Die zum Teil später verglasten Loggien werden seitlich durch schmale, vorspringende Betonplatten begrenzt, was einerseits optimalen Sichtschutz erzielt, andererseits auch die für die Bauten der 1970er-Jahre so charakteristische Licht-Schattenwirkung in der Gesamterscheinung beeinflusst. Farbliche Akzente gegenüber den einheitlich hellen Mauerflächen setzen horizontal die Sockelzone und vertikal die Brüstungen der Loggien. Der Innenhof ist durch eine überbaute, offene Tordurchfahrt zu erreichen. Von hier aus sind sämtliche Stiegen zu erreichen. Spielplätze und Ruhezonen machen den Hof zu einer Erholungszone, deren Terrainstufen durch Treppen überbrückt werden. An der Vorgartenstraße wurde dem Bau, neben dem in dieser Straße obligaten Vorgarten, ein zweigeschoßiges offenes Parkdeck vorgelagert.
... und die Kunst
Eine wuchtige Figurengruppe, zwei Frauengestalten darstellend, befindet sich an der Ecke zum Friedrich-Engels-Platz. Die üppigen Aktfiguren sind eine Arbeit von Rudolf Schwaiger aus dem Jahre 1975. Der Titel "Donauweibchen" weist auch auf die Gefahr durch den Fluss hin, die erst mit dem Ausbau der Entlastungsrinne und der Donauinsel gebannt werden konnte.Auf dem Spielplatz kam eine in abstrakten Formen gefertigte Spielplastik aus Kunststein zur Aufstellung. Das Werk ist eine Arbeit von Georg Bossanyi und entstand 1974.
Der Name
Die Marchfeldstraße ist nach dem nordöstlich von Wien gelegenen Marchfeld benannt.
Architekten
Matthäus Jiszda II. - Matthäus Jiszda II. (1908-1998) studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Clemens Holzmeister und Peter Behrens. Er entwarf hauptsächlich Betriebswerkstätten für Industriekonzerne; für die Gemeinde Wien plante er unter anderem den Salvador-Allende-Hof in Wien 11 (mit Otto Frank und Richard Horner) sowie den Karl-Wrba-Hof in Wien 10 (mit seinem Sohn Matthäus Jiszda III.).
Erwin Christoph - Erwin Christoph (1925-1987) studierte bis 1953 an der Technischen Hochschule in Wien. Als Architekt plante er sowohl alleine als auch in zahlreichen Arbeitsgemeinschaften mehrere Wohnhausanlagen in Wien, so z.B. das Wohnhaus in der Heiligenstädter Straße 11 (19. Bezirk), das Wohnhaus in der Loeschenkohlgasse 4 (15. Bezirk), ein Haus in der Pyrkergasse 18 (19. Bezirk) und das Bezirkszentrum Hernals, Elterleinplatz 9-12, in Wien 17 (1984-1986). Aufgrund seiner enormen Wettbewerbserfolge wurde Erwin Christoph auch die Planungs- und Bauleitung für die neue Abfertigungshalle und das Betriebsgebäude des Flughafens Salzburg übertragen.