Mobile Version aus nicht mehr nachfragen

Gerichtsgasse 10

Fakten

Gerichtsgasse 10

Gerichtsgasse 10, 1210 Wien

Baujahr: 1923-1923

Wohnungen: 13

Architekt: Wilhelm Peterle, Friedrich Jäckel, Johann (Hans) Stöhr

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Das Gebäude wurde im Jahr 1923 nach Plänen der Architekten Wilhelm Peterle und Friedrich Jäckel auf dem Areal des aufgelassenen Floridsdorfer Friedhofs errichtet. In dem als Bezirksjugendamt bezeichneten Gebäude befanden sich im Erdgeschoß eine Tuberkulosen-Fürsorgestelle sowie eine Schulzahnklinik. In den beiden oberen Geschoßen waren neben einer Mutterberatungsstelle vor allem Verwaltungs- und Büroräume untergebracht. Der Umbau in ein Wohngebäude erfolgte im Jahr 1950.

Die Architektur

Das frei stehende Wohnhaus ist parallel zur westlich gelegenen Gerichtsgasse situiert, an der sich auch der Hauseingang befindet. Eine Freifläche umgibt das Gebäude und schließt an der Ostseite direkt an den Paul-Höck-Park an, der bis 1903 ein Friedhof war. Das symmetrische ausgeführte Wohnhaus mit rechteckigem Grundriss, drei Wohngeschoßen und einem Dachboden wird über einen zentralen, straßenseitigen Eingang erschlossen. Die Straßenfassade dominieren zwei Seitenrisalite, die auch den Zugang markieren. Zwei zentral über dem Eingang angeordnete Dachgaupen betonen die Symmetrie des Gebäudes noch zusätzlich. Zwischen zweitem und drittem Wohngeschoß wird die Fassade durch ein Stockwerkgesims sowie durch ein Dachgesims horizontal gegliedert.

Die hofseitige Fassade bestimmen sieben Fensterachsen, wobei die Fensteröffnungen im dritten Geschoß niedriger ausgeführt sind als die der beiden darunter liegenden Stockwerke. Zusätzlich sind die Fenster der ersten beiden Etagen mit zwei Rahmen eingefasst, die Fassadenvertiefungen entstehen lassen. Die beiden seitlichen Fassaden weisen je eine mittige Fensterachse auf, die im Walmdach mit jeweils einer Giebelgaupe abschließt.

Das Gebäude ist unterkellert, wobei der Keller etwa einen dreiviertel Meter aus dem Terrain ragt und damit die - unterstrichen auch durch die Wahl einer anderen Putzstruktur - deutlich erkennbare Sockelzone bildet.

Der Name

Das Wohnhaus trägt den Namen der im Westen angrenzenden Gerichtsgasse, die im Jahr 1901 nach dem 1895/96 erbauten Gerichtsgebäude benannt wurde.

Architekten

Wilhelm Peterle - Der in Ried im Innkreis geborene Wilhelm Peterle (1893-1959) studierte zunächst an der Technischen Hochschule Graz, wechselte 1913 an die Technische Hochschule Wien, wo er 1921, nach geleistetem Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg, sein Studium abschloss. Peterle arbeitete zunächst im Atelier Simony, bis er eine Stelle im Wiener Stadtbauamt erhielt, wo er vor allem mit der Errichtung von Wohnhausanlagen befasst war. Als Anhänger der Gartenstadtbewegung plante er neben zahlreichen anderen Projekten für das Rote Wien die Großsiedlung "Am Tivoli" (Hohenbergstraße 3-21, Wien 12).

Friedrich Jäckel - Friedrich Jäckel (1876-1960) war nach seinem Studium an der TU Wien (u.a. bei Carl Mayreder und Carl König) von 1901 bis 1926 im Wiener Stadtbauamt tätig. Schwerpunkt seiner Tätigkeit war der Ausbau der städtischen Infrastruktur, wie z.B. das Jörgerbad, der Naschmarkt, der Schlachthof St. Marx oder die Hochbauten der Hochquellwasserleitung. Von 1926 bis 1940 hatte Jäckel eine Professur an der TU Graz inne.

Johann (Hans) Stöhr - Johann (Hans) Stöhr (1897-1981) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Nach seinem Studium trat er in das Wiener Stadtbauamt (MA 19) ein, dessen Leiter er bis 1963 war. In dieser Funktion war er vor allem in der Zeit des Wiederaufbaus an der Errichtung zahlreicher kommunaler Bauten beteiligt. So wurden ein Teil der Stadtrandsiedlung Leopoldau in Wien 21 und der Bauteil Ost der Per-Albin-Hansson-Siedlung in Wien 10 nach seinen Entwürfen errichtet. 1950 wurde seine berufliche Tätigkeit in dokumentierter Form als Dissertation an der TU Wien anerkannt.