Roda-Roda-Gasse 4
Roda-Roda-Gasse 4
Roda-Roda-Gasse 4, 1210 WienBaujahr: 1958-1960
Wohnungen: 191
Architekt: Otto Gruber, Friedrich Hintermayr, Erika Hotzy-Peters, Leopoldine Schwarzinger, Leopold Stefl
Weitere Adressen
Rußbergstraße 13, 1210 Wien
Meriangasse 1, 1210 Wien
Roda-Roda-Gasse 8, 1210 Wien
Wohnen in Wien
In den 1950er-Jahren ging es vor allem darum, Zerstörtes wieder aufzubauen und viele neue Wohnungen zu errichten. In den kommunalen Wohnbauten dieser Zeit finden sich die ersten Ansätze der sich später durchsetzenden Zeilenbauweise, die bis heute die großen Vorstadtsiedlungen prägt. Die Wohnbauten wurden größer, höher und waren verstärkt in Blockform gestaltet. Das Flachdach setzte sich durch. Alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern und WC ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.
Geschichte
Die Anlage ist Teil eines heute bis zur Mayerweckstraße reichenden Areals städtischer Wohnanlagen. Die Grundstücke wurden zu Beginn der 1950er-Jahre von der Gemeinde Wien aus Privatbesitz erworben. Angrenzend befand sich lange Zeit das 1933 errichtete Strebersdorfer Militärbarackenlager. Im Zuge einer groß angelegten Umgestaltung des Viertels wurde mit dem Bau der heutigen Wohnanlage 1958 begonnen. Sie war 1960 bezugsbereit und blieb seither in ihrem Erscheinungsbild weitgehend unverändert. Lediglich im Bereich der Geschäftszone fanden größere Umgestaltungen statt.
Die Architektur
Die Wohnanlage erstreckt sich zwischen Meriangasse, Rußbergstraße und Roda-Roda-Gasse und beherbergt 16 Stiegen. Ein einstöckiges Gebäude mit weiteren drei Stiegen wurde als Wohnhaus für ältere Leute geplant und zeitgleich errichtet. Völlig unterschiedliche Typen von Baukörpern sind hier kombiniert. Zum Edmund-Hawranek-Platz hin markiert ein zehngeschoßiger Wohnblock das Zentrum und den Haupteingang der Anlage. An allen vier Seiten betonen vertikal verlaufende Fassadenelemente die Höhe dieses Mutterhauses: Nach Osten und Westen gliedern farblich differenzierte Fassadenbereiche und Balkone, nach Süden eine mittige Balkonreihe und an der Nordseite ein über alle Geschoße verglastes Stiegenhaus. Zu den Kanten tritt die Fassadenfläche vor, während die Mitte etwas zurückversetzt ist. Die restlichen Stiegen sind in dreigeschoßigen, teils zu Zeilen gekoppelten Häusern untergebracht. Die Eingangsbereiche liegen an den Nord- und Ostseiten und sind von darüber befindlichen Erkern akzentuiert. Die Balkone sind nach Süden ausgerichtet. Sonst sind die Fassaden oberhalb eines schmalen Sockelpodestes schlicht und nüchtern gestaltet. Das Mutterhaus, wie auch die Kombination des zehnstöckigen Gebäudes mit niedrigeren Einheiten, ähnelt formal anderen Anlagen aus den 1950er- und frühen 1960er-Jahren, z. B. jener am Matzleinsdorfer Platz (V., Theodor-Körner-Hof, 1954). Eine allgemeine Tendenz hin zu Hochhäusern ist ab Mitte der 1950er-Jahre zu beobachten. Auch die zu frei stehenden Zeilen gekoppelten, dreigeschoßigen Häuser entsprechen einem zur Bauzeit gängigen Typus. Ausreichend Grünraumversorgung ist Teil dieses Wohnkonzeptes. Eine großzügig angelegte, von den verkehrsreichen Straßenzügen weitgehend abgeschirmte Parkanlage steht den Bewohnern zur Verfügung.
... und die Kunst
In der Anlage befindet sich die Natursteinplastik "Stehendes Mädchen" (1958/1961) von Fritz Pilz. In dem gemeinsam genutzten Grünareal sind auf dem Gebiet der Nachbaranlage zwei weitere Skulpturen aufgestellt, welche ebenfalls aus der Bauzeit der Anlage stammen: Die Natursteinplastik "abstrakte Form" von Paul Peschke, an der Ecke der Rußbergstraße zur Berlagasse, und die in Betonguss ausgeführte Plastik "Schauende" von Hilde Uray. Beide Plastiken entstanden zwischen 1958 und 1960.
Der Name
Die Roda-Roda-Gasse wurde 1952 nach Sándor Roda Roda (1872-1945) benannt. Dieser trug bis 1906 den Namen Alexander Friedrich Rosenfeld und verwendete später auch die Pseudonyme Aba Aba und Nikolaus Suchy. Er war als Schriftsteller und Journalist tätig. Vor dem Ersten Weltkrieg trat er auch im Kabarett auf. Spezialisiert auf Humoresken, verfasste Roda Roda unter anderem die Werke "Die Muskete" und "Simplicissimus", "Der Diplomat", "Die Sonnenkönigin", aber auch das Drama "Dana Petrowitsch". Sein später verfilmtes Stück "Der Feldherrnhügel" wurde wegen Beleidigung von Militärpersonen zunächst verboten. 1914-1918 war er als Kriegsberichterstatter der NFP tätig. Später lebte Roda Roda unter anderem in Bulgarien, der Slowakei, Deutschland und Frankreich und war weiterhin intensiv schriftstellerisch tätig. (u. a. "Das Rosenland", "Serb. Tagebuch", "Die 7 Leidenschaften", "Morgensonne, Morgenland", "Ein Frühling in Amerika"). 1938 emigrierte Roda Roda in die Schweiz und später in die USA, wo er 1945 verstarb.Die Rußberstraße (auch Rußberggasse) wurde 1912 nach dem historischen Flurnamen "Rußberg" benannt. Die Straße wurde durch die Einbeziehung des Strebersdorfer Platzes verlängert. Ursprünglich hieß die Gasse Schulbrüdergasse, später auch Bahngasse.
Architekten
Otto Gruber - Otto Gruber (geb. 1925) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien, wo er 1925 zum Thema "Die bauliche Planung in der Textilindustrie unter besonderer Berücksichtigung der Tuchfabrikation" promovierte. Für die Gemeinde Wien war er etwa an den Entwürfen zu den Wohnhausanlage Roda-Roda-Gasse 4 und 6 in Wien 21 (1958-1960) beteiligt.
Friedrich Hintermayr - Friedrich Hintermayr (1910-1979) studierte bis 1932 Architektur an der Hochschule für angewandte Kunst Wien unter anderem bei Oscar Strnad. Für die Gemeinde Wien entwarf er unter anderem das 1955-1957 errichtete Wohnhaus Gschwandtnergasse 53-57 in Wien 17. Auch war er an der Planung für den Oscar-Helmer-Hof in Wien 21 (Roda-Roda-Gasse 1, 1961-1964) beteiligt.
Erika Hotzy-Peters - Erika Hotzy-Peters (geb. Karrer, 1919-2002; auch Erika Peters bzw. später Erika Hotzy) studierte von 1940 bis 1945 an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien bei Franz Schuster. Bereits während der Studienzeit arbeitete sie in den Büros von Otto Niedermoser und Carl Witzmann und im Hochbaubüro Siemens mit. Bevor sich Erika Hotzy-Peters 1952 als Architektin selbständig machte, leitete sie unter anderem die Bautischlerei Dr. Franz Thiel in Wien 16 (1948) und war Kostümberaterin der Wessely-Filmgesellschaft (1949). Mit ihrem Ehemann Alexander Peters entwarf sie sodann vor allem in den Bundesländern zahlreiche Wohnhausanlagen und gestaltete in Wien rund 16 Bankfilialen. Für die Gemeinde Wien plante sie von den 1950er-Jahren bis in die 1980er-Jahre mehrere Wohnhäuser, zuletzt in Arbeitsgemeinschaft mit Libuse Partyka und Eugenie Pippal-Kottnig. Beachtenswert sind ihr angekaufter Wettbewerbsbeitrag zum Flughafen Wien-Schwechat und das mit einem Preis honorierte Sanierungsprojekt des Blutgassenviertels in Wien 1 (beide 1950er-Jahre). Von Hotzy-Peters stammt auch die Schutzumhüllung für den "Stock im Eisen" in Wien 1 (Ecke Kärntner Straße/Am Graben).
Leopoldine Schwarzinger - Leopoldine Schwarzinger (geb. Pollak, 1913-2002) studierte vor dem Zweiten Weltkrieg Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien. Nach 1945 war sie (unter den Namen L. Schwarzinger und L. Kirschner) vor allem im Wiederaufbau tätig und entwarf vorwiegend in Gemeinschaft mit anderen Architekten mehrere Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien. Von ihr stammen unter anderem die Pläne für die Wohnhäuser Oberlaaer Straße 87 in Wien 10 (1956) und Geibelgasse 10 in Wien 15 (1978-1980); zusammen mit Felix Hasenöhrl entwarf sie die Anlage Römersthalgasse 9-17 in Wien 11 (1961/62).
Leopold Stefl - Zur Ausbildung des Architekten Leopold Stefl (1895-1977) sind keine Daten bekannt. Für die Gemeinde Wien war er in einer größeren Arbeitsgemeinschaft an den Entwürfen zu den Wohnhausanlagen Roda-Roda-Gasse 4 und 6 in Wien 21 (1958-1960) beteiligt.