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Berlagasse 1

Fakten

Berlagasse 1

Berlagasse 1, 1210 Wien

Baujahr: 1962-1965

Wohnungen: 282

Architekt: Georg Malai, Alfred Lechner, Michael Pribitzer, Johannes (Hannes) Lintl, Erna Grigkar-Kapinus, Julius Bergmann

Weitere Adressen

Mühlweg 27, 1210 Wien

Wohnen in Wien

In den 1960er-Jahren nahm der Wohnbau in Wien bis hin zum Wohnungsbauboom der 1970er-Jahre kontinuierlich zu. Die Grundlage dafür bildeten 1961 ein städtebauliches Konzept und ein Generalverkehrsplan von Roland Rainer. Der geplante U-Bahn-Bau sowie die Erschließung bisheriger Randgebiete nördlich der Donau förderten diese Entwicklung. Besonders am südlichen und östlichen Stadtrand gab es Grundstücke zu günstigen Preisen, auf denen neue große Wohnviertel geschaffen wurden. Die neue Fertigteilbauweise mit vorgefertigten Betonelementen erlaubte es, in kurzer Zeit ganze Stadtteile neu zu errichten.

Geschichte

Die Grundstücke, auf denen sich die heutige Wohnanlage befindet, waren zuvor größtenteils in Privatbesitz, oder gehörten dem Chorherrenstift Klosterneuburg und der Eisenbahngesellschaft der Republik Österreich. Sie wurden vor allem landwirtschaftlich und als Gärten genutzt. Die Gemeinde Wien erwarb das Areal Ende der 1950er-Jahre. Die Grundstücke wurden geräumt, allfällige Baukörper abgetragen. Zusammen mit der benachbarten Anlage am Mühlweg 43 wurde zu Beginn der 1960er-Jahre die Errichtung dieser Anlage beschlossen. Die Wohnanlage in der Berlagasse 1 ist der erste Bauteil der beiden, von derselben Architektengruppe geplanten Anlagen. Ein Wohnhaus am Mühlweg 43 wurde bereits zeitgleich mit dieser Anlage errichtet. Es beherbergt Wohnungen für ältere Menschen. Die Anlage war 1965 benutzungsbereit und blieb seither in ihrem äußeren Erscheinungsbild weitgehend unverändert.

Die Architektur

Die Anlage erstreckt sich zwischen Berlagasse und Mühlweg. Elf parallel zur Berlagasse angeordnete dreigeschoßige Wohnzeilen beherbergen insgesamt 32 Stiegen. Zwei bis vier Stiegen sind dabei in gekoppelter Bauweise ausgeführt. Die Eingänge liegen an den Nordostseiten und können über Wege, die durch die Anlage führen, erreicht werden. Balkone und Loggien sind nach Südwesten ausgerichtet. Die Gestaltung der Fassaden ist schlicht und typisch für die frühen 1960er-Jahre. Akzente werden vor allem durch farbliche Differenzierungen der Bauelemente gesetzt. Das Fassadenbild wird dadurch entschieden gelockert und eine ausführlichere architektonische Gliederung der Baukörper ersetzt. Die Eingangsbereiche sind durch farbige Wandfelder in den Signalfarben Orange und Blau markiert. An ihren Flanken befinden sich jeweils zwei Reihen von paarweise angeordneten, kleineren Rechteckfenstern. Straßenseitig werden die Eingänge zusätzlich von Risaliten gerahmt. An den Südwestseiten der schlichten Blöcke setzen die Balkone und Loggien auf vertieften Wandfeldern auf, welche ebenfalls farblich akzentuiert sind. In der Berlagasse befindet sich zwischen den Stiegen 2 und 3 eine Zufahrt zu der Anlage. Die Fenster oberhalb dieser Zufahrt sind mittels horizontal verlaufender, farbiger Bänder in zwei Reihen zusammengefasst. Die Hauptgesimse unterhalb der flachen Giebeldächer sind überall durchgängig. Auf Geschäftszonen im Bereich des Erdgeschoßes wurde verzichtet. Durch die Errichtung einer Ladenbauzeile konnte eine funktionelle Trennung von Wohnen und Einkaufen erreicht werden. Schlichte Formensprache, hoher Wohnkomfort, eine großzügig angelegte, öffentliche Grünanlage sowie die Zeilenform der Wohnblöcke sind die wesentlichen Merkmale dieses architektonischen Entwurfs.

... und die Kunst

Vor dem Haupteingang der Anlage ist die Natursteinplastik "Schreibender Bub" (1962/1964) von Margarete Hanusch aufgestellt. In unmittelbarer Nähe zu dieser befindet sich an der Schmalseite einer Wohnzeile ein Sgraffitowandbild von Herbert Schütz. Es trägt den Titel "Pflanzen, Tiere, Wasser" und entstand in den Jahren 1962 bis 1963. Ein historischer Bezug zu den ehemals hier befindlichen Donaufeuchtgebieten und deren Flora und Fauna wird hergestellt. Auf einer freien Fläche in der Grünanlage sind Ansichten europäischer Städte in Form einer "Plastischen Windrose" (1962/1965) zu sehen. Die doppelseitig ausgestalteten Tafeln stammen von dem Künstler Leopold Schmid. Eine weitere Natursteinplastik mit dem Titel "Liegende Figur" (1967) von Werner Würtinger ist nicht am Platz.

Der Name

Die Berlagasse wurde 1913 nach Alois Berla (1826-1896) benannt. Dieser hieß eigentlich Alois Scheichel. Er war Schauspieler, Sänger und Schriftsteller. Alois Berla studierte Musik und war zunächst als Sänger und Schauspieler tätig. 1948 verfasste er sein erstes Theaterstück "Der letzte Zopf", welches in Ungarn, im Pester Theater, uraufgeführt wurde. Im selben Jahr wurde er Theaterdichter am "Theater an der Wien". Er schrieb rund 130 Bühnenstücke und feierte mit diesen große Erfolge. Unter anderem die Stücke " Das tägliche Brot", "Der Zigeuner", "Unsere Lehrbuben", "Schottenfeld und Ringstraße", "Plausch’ net Pepi". Die Stücke "Drei Paar Schuhe" (1871) und "Das verwunschene Schloss" (1877) wurden als Singspiele mit Carl Millöcker vertont. Alois Berla bearbeitete auch fremde Bühnenstücke und verfasste Artikel für Tageszeitungen und Zeitschriften.

Architekten

Georg Malai - Georg Malai (geb. 1926 in Klausenburg) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien, wo er 1960 zum Thema "Besonnungszeiten an Straßenfassaden im Wiener Stadtgebiet" promovierte. Für die Gemeinde Wien war er unter anderem an den Plänen zur Wohnhausanlage Berlagasse 1 in Wien 21 (1962-1965) beteiligt.

Alfred Lechner - Alfred Lechner (geb. 1926) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien, wo er 1967 auch promovierte. Für die Gemeinde Wien war er unter anderem an den Plänen zur Wohnhausanlage Berlagasse 1 in Wien 21 (1962-1965) beteiligt.

Michael Pribitzer - Michael Pribitzer (1926-2004) studierte von 1945 bis 1952 Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Für die Gemeinde Wien war er vorwiegend in Arbeitsgemeinschaften an der Errichtung mehrerer großer Wohnhausanlagen beteiligt, wie etwa am Karl-Honay-Hof in Wien 16, Gablenzgasse 82-86 (1965/66) und der Anlage Sagedergasse 7-11 in Wien 12 (1969-1971).

Johannes (Hannes) Lintl - Hannes Lintl (1924-2003) studierte 1941/42 und von 1945 bis 1949 Innenarchitektur und Möbelbau bei Carl Witzmann an der Wiener Kunstgewerbeschule. Lintl war vorwiegend in größeren Architektengemeinschaften an verschiedensten Bauprojekten beteiligt, wie unter anderem an der Errichtung des ehemaligen IBM Hauptverwaltungsgebäudes am Praterstern in Wien 2 (1989-1992), am Generali-Center auf der Mariahilfer Straße 77-79 in Wien 6 (1970-1976) und an der Errichtung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien 9 (ab 1968). Sein bekanntestes Bauwerk ist aber der Donauturm auf dem WIG-Gelände in Wien 22 (1961-1964).

Erna Grigkar-Kapinus - Erna Grigkar-Kapinus (1909-2001) studierte ab 1930 Architektur bei Emil Artmann an der Technischen Hochschule Wien. Danach war sie als Architektin in Wien und im Umkreis von Margarete Schütte-Lihotzky tätig. Grigkar-Kapinus konzipierte unter anderem die kleine Wohnhausanlage an der Breitenfurterstraße 555-557 in Wien 23 (1973-1975).

Julius Bergmann - Julius Bergmann (1896-1969) studierte von 1918 bis 1923 unter anderem bei Siegfried Theiß und Franz Krauß an der Technischen Hochschule Wien. Zusammen mit Rudolf Boeck und Adolf Hoch plante er das 1950/51 errichtete Josef-Afritsch-Heim (Internationale Kulturwerkstätte Hörndlwald, Josef-Lister-Gasse 7, Wien 13). Für die Gemeinde Wien entwarf Bergmann unter anderem die Wohnhausanlagen Staudgasse 48-50 in Wien 18 (1949-1950) und Hofferplatz 3 in Wien 16 (1955-1957).