Meißnergasse 4-6
Meißnergasse 4-6
Meißnergasse 4-6, 1220 WienBaujahr: 1925-1926
Wohnungen: 123
Architekt: Hans Seitl, Karl Felsenstein
Weitere Adressen
Andreas-Huger-Gasse 52, 1220 Wien
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Die Meißnergasse verläuft parallel zu Wagramer Straße, die bereits um die Jahrhundertwende teilweise verbaut gewesen ist. Vor allem nahe der Einmündung in den Kagraner Platz gab es mehrere ein- bis zweigeschoßige Miet- und Wohnhäuser. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde schräg gegenüber dem betreffenden Wohnbau eine Volksschule errichtet. Der Wohnbau wurde in den 1920er-Jahren auf dem Gelände der ehemaligen Kirchen-Äcker gebaut, davor gab es dort lediglich einen alten Schuppen.
Die Architektur
Der Wohnbau aus den 1920er-Jahren ist in Randverbauung angelegt. Die Anlage verläuft über einem E-förmigen Grundriss, wobei sich der Eingangsbereich in der Meißnergasse befindet. Im Süden schließt das Wohnhaus direkt an ein Miethaus aus der Gründerzeit an. Die Wohnhausanlage besticht vor allem aufgrund der Formensprache, die reich verzierte Straßenfront stellt einen Höhepunkt in der umliegenden Verbauung dar. Der repräsentative Charakter des Wohnbaus kommt durch den betonten Eingang und die dekorativ gestaltete Fassade zum Ausdruck. Der Zugang zum Innenhof und zu den Stiegenhäusern wird von vier Putti geschmückt, die die Jahreszeiten darstellen. Die Architekten griffen auf das Motiv der Pilasterordnung zurück, um die viergeschoßige Anlage zu strukturieren. Zwischen den einzelnen Geschoßen sorgen breite Gesimsstreifen für eine deutliche Betonung der horizontalen Ausrichtung.Die Fassade gliedert sich in mehrere Fensterachsen, die Fenster haben jeweils einen schmalen Rahmen. Der Eingangsbereich wird seitlich von spitzen Loggien flankiert, auch an der restlichen Fassade sorgen Loggien für Abwechslung. Diese verfügen über einen dreieckigen Grundriss und werden durch die stufenförmige Rahmung der Türöffnungen akzentuiert. An der Straßenecke zur Andreas-Huger-Gasse ist das Gebäudeeck abgeflacht und öffnet sich durch Loggien nach außen. Die Stiegenhäuser sind durchwegs über den Innenhof zugänglich, der sich als schmaler langgezogener Streifen präsentiert.
... und die Kunst
Über dem Eingangsbereich der Wohnhausanlage befinden sich vier überlebensgroße Putti, die von Josef Breitner (1864 - 1930) angefertigt worden sind. Die steinernen Figuren sollen die vier Jahreszeiten darstellen und zeigen sich daher mit Früchten oder in ein Tuch gehüllt.
Der Name
Die Gasse, in der der Wohnbau steht, wurde ursprünglich als Schulgasse bezeichnet. Seit 1910 ist sie nach dem Chemiker Paul Traugott Meißner (1778 - 1864) benannt. Meißner war Professor für allgemeine Chemie und beschäftigte sich mit unterschiedlichen Erfindungen. Er entwickelte eine Zentralheizung mit Warmluft und den so genannten "Wiener Sparherd".
Architekten
Hans Seitl - Hans Seitl (1886-1958) studierte ab 1901 an der Technischen Hochschule Wien. Seine zweite Staatsprüfung legte er 1908 ab. Für das Wiener Wohnbauprogramm plante er die Häuser Heindlgasse 7-9 (1931/32; Wien 16), Graumanngasse 33 (1927/28; Wien 15; gemeinsam mit Alexander Graf) und Meißnergasse 4-6 (1925/26; Wien 22; mit Karl Felsenstein).
Karl Felsenstein - Der aus dem Gebiet der heutigen Ukraine stammende Karl Richard Felsenstein (1878-1932) besuchte die Höhere Staatsgewerbeschule in Wien und schrieb sich 1899 an der Akademie der bildenden Künste ein, wo er 1904 die Meisterklasse von Otto Wagner absolvierte. Während seiner Tätigkeit im Atelier von Ludwig Baumann wirkte er vor dem Ersten Weltkrieg unter anderem am Ausbau der Neuen Hofburg in Wien 1 und der Errichtung der Handelskammer (heute Wirtschaftskammer, Stubenring 8-10, Wien 1) und des Kriegsministeriums (heute Regierungsgebäude, Stubenring 1, Wien 1) mit. Nach 1918 machte er sich als Architekt selbstständig. In Bratislava (Slowakei) war er unter anderem am Bau der Börse, der Polizei- und Finanzdirektion und des Hafenamtes beteiligt. Sein größtes realisiertes Werk als selbständiger Architekt in Wien ist die gemeinsam mit Hans Seitl entworfene Wohnhausanlage in der Meißnergasse 4-6 in Wien 22 (1925/26).