Rugierstraße 30-42
Rugierstraße 30-42
Rugierstrasse 30-42, 1220 WienBaujahr: 1963-1964
Wohnungen: 126
Architekt: Peter Payer, Oskar Payer
Wohnen in Wien
In den 1960er-Jahren nahm der Wohnbau in Wien bis hin zum Wohnungsbauboom der 1970er-Jahre kontinuierlich zu. Die Grundlage dafür bildeten 1961 ein städtebauliches Konzept und ein Generalverkehrsplan von Roland Rainer. Der geplante U-Bahn-Bau sowie die Erschließung bisheriger Randgebiete nördlich der Donau förderten diese Entwicklung. Besonders am südlichen und östlichen Stadtrand gab es Grundstücke zu günstigen Preisen, auf denen neue große Wohnviertel geschaffen wurden. Die neue Fertigteilbauweise mit vorgefertigten Betonelementen erlaubte es, in kurzer Zeit ganze Stadtteile neu zu errichten.
Geschichte
Bereits zu Beginn der 1960er-Jahre gab es für dieses Areal unter dem damaligen Stadtplanungsdirektor Roland Rainer konkrete Vorschläge für eine gemischte Bebauung aus verdichtetem Flachbau, Reihenhäusern und einzelnen mehrgeschoßigen Scheibenhäusern. Zwei Jahre später wurden hier die ersten Wiener Plattenbauten innerhalb eines Siedlungsareals errichtet. Die Wohnhausanlage Rugierstraße 30-42 wurde gemeinsam mit der Anlage Siebenbürgerstraße 28-42 als zweite Erweiterung des ersten Bauabschnitts der Plattenbausiedlung "Siebenbürgerstraße/Erzherzog-Karl-Straße" geplant und auf einer davor landwirtschaftlich genutzten Fläche errichtet.
Die Architektur
Die Siedlung ist durch die für die Plattenbauweise anfänglich typische Zeilenbebauung gekennzeichnet. Die geradlinigen Baukörper liegen ausschließlich parallel bzw. orthogonal zueinander und sind Ausdruck einer äußerst rationellen Bauweise. Die Abstände zwischen den einzelnen Gebäuden wurden häufig durch die Dimension der Montagekräne bestimmt. Das neungeschoßige, aus sieben Häusern bestehende Scheibenwohnhaus steht parallel zur Polgarstraße. Das Wohngebäude ist unterkellert, wobei der Keller um ein halbes Geschoß aus dem Terrain ragt und so die - auch farblich abgesetzte - Sockelzone bildet. Die Fassadenrasterung als typische Erscheinungsform für in Plattenbauweise errichtete Wohngebäude wurde bei der Ende der 1990er-Jahre durchgeführten thermischen Sanierung überdeckt. Die einzelnen Wohnhäuser unterscheiden sich durch die neue Farbgebung des Putzes, insbesondere an der Westfassade, voneinander. Darüber hinaus gliedert eine vertikale Loggienreihe je Haus die Westfassade. Die Ostfassade wird von fünf Lifttürmen dominiert. Diese markieren gleichzeitig - in Kombination mit Betonvordächern, die von zwei Stahlsäulen gestützt werden - die Eingänge. Die beiden Giebelseiten sind fensterlos.
... und die Kunst
Die Außenwandplatten, in denen sich die Hauseingangstüren befinden, sind noch original mit einer Glasmosaikoberfläche versehen. Hier waren ursprünglich auch die künstlerisch gestalteten Hauszeichen zu finden, die im Zuge der Sanierungsarbeiten entfernt wurden.
Der Name
Die ehemalige Stadtlauer Straße wurde im Jahr 1910 in Rugierstraße umbenannt. Die Rugier waren ein ostgermanischer Stamm, der in vorgeschichtlicher Zeit in Pommern und wahrscheinlich auch in Rügen ansässig war, ehe sie im 4. Jahrhundert in Richtung Süden abwanderten und sich in Niederösterreich niederließen. In den Jahren 487 bis 488 wurde das Reich der Rugier von Odoaker zerstört.
Architekten
Peter Payer - Peter Payer wurde am 5. Dezember 1932 in Wien geboren. Er studierte Architektur an der Technischen Hochschule sowie an der Akademie der angewandten Kunst in Wien und diplomierte im Jahr 1956 bei Prof. Franz Schuster. Gleich seinem Vater Oskar Payer konzentrierte er sich auf die Verbesserung der Wohnkultur sowie die Rationalisierung des Wohnungsbaus. Zahlreiche Publikationen zeugen vom Engagement der beiden Architekten. Neben der Planung Tausender Wohnungen für die Gemeinde Wien entwarfen Oskar und Peter Payer auch Möbel und gründeten das Einrichtungshaus "Payer-Dekor". Im Jahr 1970 erhielten sie den Staatspreis für ein Sitzliegemöbel.
Oskar Payer - Oskar Payer (1903-1973) erlernte zunächst das Tischlerhandwerk, bevor er die Staatsgewerbeschule in Wien besuchte. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er sich vor allem für eine Verbesserung der Wohnkultur sowie auch für die Funktionalität der Wohnung selbst ein. Dies stellte er u.a. in zahlreichen Publikationen, wie z.B. "Die praktische Wohnungskunde", und als Obmann des Vereins "Die Frau und ihre Wohnung" unter Beweis. Für die Stadt Wien plante Oskar Payer gemeinsam mit seinem Sohn Peter Payer mehrere Tausend Wohnungen, allen voran die zahlreichen Montagebau-Wohnungen.