Blathof
Blathof
Linzer Straße 128, 1140 WienBaujahr: 1924-1925
Wohnungen: 302
Architekt: Clemens Holzmeister
Weitere Adressen
Rottstraße 1, 1140 Wien
Felbigergasse 13-15, 1140 Wien
Marcusgasse 2, 1140 Wien
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Der nach der Rottstraße auch "Rott-Hof" genannte "Blat-Hof" liegt an der Einmündung der Goldschlagstraße in die Linzer Straße, dem alten Postweg von Wien nach Linz, der auf die Römerzeit zurückgeht. Als einer der frühen Gemeindebauten des "Roten Wiens" entstand die heute denkmalgeschützte Wohnhausanlage in einer Gegend, in der sich aufgrund der Nähe zum Penzinger Frachtenbahnhof zahlreiche Fabriken befanden. Neben Wohnungen für die Arbeiter der umliegenden Betriebe wurden beim Bau der Anlage zugleich auch Geschäftslokale sowie soziale Einrichtungen wie ein Kindergarten, ein Jugendhort und eine Bibliothek eingeplant. Der Kindergarten existiert heute noch in einem separaten Gebäude im Hofbereich. An den Namensgeber der Wohnhausanlage, aber auch an die jüngere österreichische Geschichte erinnert eine Gedenktafel in der Hofdurchfahrt.
Die Architektur
Die fünfgeschoßige Wohnhausanlage wurde auf einem abfallenden, trapezförmigen Grundstück in Blockrandbebauung errichtet und umschließt einen großen Hof, in dem sich das Gebäude eines Kindergartens befindet. Der zur Linzer Straße gerichtete Wohnblock bildet die Hauptansichtsseite der Anlage. Mit seinen flügelartigen Pultdächern, dem zentralen Hoftor, den darüber angeordneten, spitzen Doppelerkern sowie den kräftigen Fensterrahmungen besitzt er eine markante Ausstrahlung. An den vier Grundstücksecken treten die Baublöcke rechtwinkelig zurück. Im Erdgeschoß verbinden abgerundete Anbauten mit Geschäftslokalen die einzelnen Wohnblöcke miteinander. Das Motiv der spitzen Erker mit übers Eck geführten Fenstern findet sich auch an den lang gestreckten, regelmäßig gegliederten Straßenfronten wieder. Augrund des abschüssigen Geländes steigen hier die Wohnblöcke stufenartig an. Durch die abgestufte Dachlinie und die Erker entsteht ein kräftiger Rhythmus.Im Vergleich zu den expressiv gestalteten Außenfronten wirken die Hoffassaden ruhiger. Sie werden durch die regelmäßig angeordneten, turmartigen Stiegenhäuser und die zu Veranden umgebauten Halbloggien gegliedert. Details wie kreis- und halbkreisförmige Fenster setzen hier besondere Akzente. Eine von Brunnen flankierte Treppenanlage im Anschluss an das Hoftor überbrückt den Niveauunterschied. Die expressionistische Tektonik, die bewegte Dachlandschaft und die mehrfach abgestuften Häuserblöcke machen die Wohnhausanlage zu einem der interessantesten Beispiele der frühen Gemeindebauarchitektur.
... und die Kunst
Schlanke, männliche Figuren über den Stiegenhauseingängen sowie eine große Frauenfigur an der Hauswand des Kindergartens setzen dekorative Akzente. Die plastischen Arbeiten stammen von dem Bildhauer Wilhelm Frass (1886-1968). Im Hof befinden sich zudem zwei Brunnenanlagen mit Wasser speienden Masken. In den Details kunstvoll gearbeitet sind auch die schlichten Hofgitter mit linearer Musterung.
Der Name
Die Wohnhausanlage wurde 1948 nach Ferdinand Blat (1888-1934), Mitglied des Republikanischen Schutzbundes und der Sozialdemokratischen Partei, benannt. Er ließ während des Bürgerkrieges 1934 im Kampf um ein demokratisches Österreich sein Leben.
Architekten
Clemens Holzmeister - Der in Tirol geborene Clemens Holzmeister (1886-1983) studierte ab 1906 an der Technischen Hochschule Wien. Als selbständiger Architekt war er zunächst in Tirol tätig, wo er auch an der Staatsgewerbeschule in Innsbruck unterrichtete. 1924 gelang Holzmeister mit der Errichtung des Krematoriums am Zentralfriedhof in Wien 11 der Durchbruch als Architekt. Er wurde in der Folge Leiter der Meisterschule für Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien und erhielt zahlreiche Aufträge, vorwiegend für Kirchenbauten, aber auch für die Festspielhäuser in Salzburg. In der türkischen Hauptstadt Ankara, wohin er 1938 emigrierte, plante er ab 1927 eine Reihe von Regierungsbauten, wie auch das Stadtpalais von Kemal Atatürk. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er nach Wien zurück und übernahm wieder die Leitung der Meisterschule für Architektur an der Akademie, der er ab 1955 auch als Rektor vorstand. Clemens Holzmeister zählt zu den bedeutendsten Architekten Österreichs des 20. Jahrhunderts.