Franz-Novy-Hof
Franz-Novy-Hof
Koppstraße 97-101, 1160 WienGablenzgasse 112-118, 1160 Wien
Herbststraße 103-105, 1160 Wien
Pfenninggeldgasse 4, 1160 Wien
Baujahr: 1950-1954
Wohnungen: 794
Architekt: Anton Potyka, Franz Gomsi, Viktor Werbik, Karl Schneidmesser, Friedrich Lang, Heinz Rollig, Friedrich (Fritz) Novotny, Erich Kaindl
Weitere Adressen
Hettenkofergasse 2-10, 1160 Wien
Pfenninggeldgasse 1, 1160 Wien
Herbststraße 122-126, 1160 Wien
Zagorskigasse 1, 1160 Wien
Pfenninggeldgasse 2, 1160 Wien
Pfenninggeldgasse 2A, 1160 Wien
Zagorskigasse 3, 1160 Wien
Pfenninggeldgasse 4a, 1160 Wien
Zagorskigasse 5-11, 1160 Wien
Herbststraße 116-120, 1160 Wien
Koppstraße 95a, 1160 Wien
Wohnen in Wien
Ab 1949 war der Wohnbau zahlenmäßig wieder auf dem Niveau des "Roten Wien" der Zwischenkriegszeit. Doch noch war die Bevölkerung verarmt und oft obdachlos. Kleine Duplex-Wohnungen, die später zusammengelegt werden konnten, linderten schließlich die Wohnungsnot. 1951 wurde Franz Jonas, Sohn einer Arbeiterfamilie, Bürgermeister von Wien. In seine Amtszeit fiel die rege Bautätigkeit im Rahmen des Projektes "Sozialer Städtebau" ab 1952. Das 8-Punkte-Programm hatte die Trennung von Wohn- und Gewerbebereichen, eine Auflockerung der Wohnbereiche sowie die Assanierung einzelner Viertel zum Ziel. Die standardmäßige Ausstattung der Wohnungen wurde verbessert - alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.
Geschichte
An der Stelle des Franz-Novy-Hofs standen bis 1952 acht einstöckige Notstandsbaracken mit insgesamt 128 Wohnungen und zwei Lokalen. Sie waren 1911 von der Gesellschaft für Notstandswohnungen für eine Dauer von 17 Jahren errichtet worden und wurden damals allgemein - und für heutiges Empfinden befremdlich - als "Negerdörfel" bezeichnet. Die Baracken dienten zur Unterbringung obdachloser, kinderreicher Familien aus armen Verhältnissen. Nach der vorgesehenen Nutzungsdauer dieser temporären Bauten hätten die Gründe 1928 der Gemeinde Wien zurückgegeben werden müssen. Doch wie viele Provisorien hielt sich auch dieses Quartier länger als geplant und wurde erst im Jahr 1952 abgebrochen.
Die Architektur
Die Wohnhausanlage Franz-Novy-Hof erstreckt sich über drei Straßenblöcke und besteht aus insgesamt 16 Bauteilen mit 48 Stiegen, die von drei Architektengemeinschaften entworfen und in den Jahren 1950 bis 1955 in vier Bauphasen errichtet wurden. Obwohl die Schaffung von Wohnraum primäres Ziel gewesen war, wurde mit der aufgelockerten Anordnung und geometrischen Staffelung der Baukörper auch dem architektonischen Anspruch Rechnung getragen. In einer ersten Baustufe wurden zwischen 1950 und 1952 vier Zeilenbauten und vier würfelförmige Wohnhäuser - drei von ihnen liegen aufgefächert an der Straßenrundung - auf dem dreieckigen Grundstück zwischen Koppstraße, Hettenkofergasse, Herbststraße und Pfenninggeldgasse errichtet. Die mit Walmdächern gedeckten fünf Geschoße hohen und 18 Fensterachsen langen Zeilenbauten sind Richtung Koppstraße verbreitert; allen fünf Zeilenbauten dieses Bauabschnittes gemeinsam sind die nach Osten orientierten abgerundeten Balkone mit Gitterbrüstungen und die um eineinhalb Geschoße überhöhten Stiegenhaustürme auf den Westseiten, die die umlaufenden Dachgesimse unterbrechen. Über den Hauseingängen kragen Blechdächer vor. Die aufgefächerten Einzelhäuser sind ebenso mit Balkonreihen, Kranzgesimsen, Walmdächern und Stiegenhaustürmen ausgestattet und verfügen über vier Geschoße und ein mit Mansardenfenstern ausgebautes Dachgeschoß. Ein viertes Einzelhaus im Zentrum der Anlage sticht mit seinen sechs Geschoßen - das Dach ist wieder mit Mansardenfenstern ausgebaut - und den abwechselnd mit einer Doppelreihe Loggien bzw. zwei Reihen Balkonen aufgelockerten Putzfassaden aus dem sonst einheitlichen Verband hervor.In der zweiten Bauphase zwischen 1952 und 1953 entstanden die vier fünfgeschoßigen, 12 Fensterachsen langen Zeilenbauten an der Gablenzstraße, die sich nur durch aufwändige Fensterfaschen, rustikale Balkonkonsolen und die nachträglich angebauten Außenlifte von ihren Vorgängerbauten an der Koppstraße unterscheiden. In den Jahren 1953/54 wurde auf dem restlichen Straßenblock zur Herbststraße mit zwei mehrfach abgewinkelten Baukörpern ein Innenhof umschlossen, in dem zentral das Franz-Novy-Denkmal platziert ist. Die beiden Baukörper unterscheiden sich nur in ihrer Grundrissgeometrie, sie verfügen beide über fünf Geschoße, ein mit Mansardenfenstern ausgebautes Dachgeschoß, unter dem das Dachgesims durchläuft, das wieder von den Stiegenhaustürmen unterbrochen wird. Das von der Gablenzgasse zur Herbststraße abfallende Gelände wird durch eine Höhenstaffelung der Gebäude überwunden; zur Pfenninggeldgasse sind die Grünflächen teilweise geböscht.Ein neun Fensterachsen langer Zeilenbau und ein Doppel-L-förmiger Superblock - wieder fünfgeschoßig mit ausgebautem Dachgeschoß - erstrecken sich seit 1955 über den dritten, dreieckigen Bauplatz zwischen Herbststraße, Pfenninggeldgasse und Zagorskigasse. Zur Koppstraße schließt der Superblock mit einem siebengeschoßigen Hochhaus ab; an dieser prominenten Stelle befindet sich das über fünf Stockwerke reichende Wandmosaik "100.000 neue Wiener Gemeindewohnungen". Zusätzliche Gestaltungselemente sind sowohl hof- als auch straßenseitig angebrachte flache Erker und ein Stiegenhausturm mit markantem dreieckigem Grundriss an der Fassade Koppstraße. Der Niveauunterschied zwischen Herbststraße und Koppstraße wird vom Sockelgeschoß aufgenommen.
... und die Kunst
An der Fassade Koppstraße befindet sich das monumentale keramische Mosaikwandbild "100.000 neue Wiener Gemeindewohnungen" von Rudolf Schatz aus dem Jahr 1957. Es erinnert an die Grundsteinlegung der 100.000. Gemeindewohnung seit dem Bestehen der Ersten Republik, die am 11. September 1957 in der Pfenninggeldgasse 4a vorgenommen wurde; die Inschrift besagt: "Wo sich ein Kreis von Schöpfern findet, / Wächst hunderttausendfache Saat: / Denn Menschen, Raum und Zeit verbindet / Zum Wohle immer nur die Tat." Unzählige Architekten und drei Architektinnen halten Modelle der von ihnen geplanten Gemeindebauten in Händen.Im Hof hinter der Herbststraße 103-105 befindet sich das Karl-Novy-Denkmal von Edmund Moiret aus dem Jahr 1959; es zeigt ein Porträtrelief von Franz Novy (1900-1949), dem Gewerkschafter und Gemeinderat, auf einem vier Meter hohen Keramikpfeiler, darunter die Inschrift "Er begann / in schwerster / Zeit / mit dem Wieder- / aufbau / Wiens". An den beiden Seiten sind Flachreliefs von Bauarbeitern (Maurer, Schmied und Malermeister) mit der Inschrift "Er erzog die Bauarbeiter" bzw. Künstlern (Maler, Architekt und Bildhauer) mit der Inschrift "Er förderte die Kunst" dargestellt, auf der Rückseite wird Schillers "Glocke" frei zitiert: "Es mögen / die Herzen / und Hände / im Geiste / der / Freundschaft / vereint / dem / Besten / nur / dienen".Im Vorgarten Ecke Gablenzgasse 118 / Pfenninggeldgasse 2 steht, mittlerweile schon recht zugewachsen, eine frei stehende Plastik aus Naturstein "Elektrische Energie" von Ferdinand Opitz aus dem Jahr 1953.Zur Wohnhausanlage der ersten Bauphase gehört die frei stehende, heute beinahe von Bäumen verdeckte Plastik aus Naturstein "Freundinnen" von Artur Hecke aus dem Jahr 1959 in der Pfenninggeldgasse 1.In der Pfenninggeldgasse 4a befindet sich aus der Bauphase drei inmitten von Sträuchern die frei stehende Plastik aus Naturstein "Maurer" von Otto Eder aus dem Jahr 1955.
Der Name
Die 16 Baublöcke umfassende Wohnhausanlage der Gemeinde Wien wurde nach dem Gewerkschafter und Gemeinderat (1932-34, 1945-49) Franz Novy (28.09.1900, Wien, bis 14.11.1949, Wien) benannt. Schon im Februar 1934 floh Novy in die damalige Tschechoslowakei und engagierte sich in der Gewerkschaft in Brünn. Als Vorsitzender der Auslandsvertretung der österreichischen Gewerkschaften emigrierte Novy 1938 nach Stockholm und 1942 weiter nach London, wo er zum Obmann des sozialdemokratischen "Austrian Labour Club" gewählt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb er sich als Stadtrat für Bauwesen (1945-49) große Verdienste um den Wiederaufbau Wiens und die Wiederaufnahme des Sozialen Wohnungsbaus. Er organisierte u. a. die Schutträumung der zerstörten Stadt und regte die Gewinnung von Baumaterial aus Schutt an. 1947 wurde Novy zum Wiener Obmann der SPÖ gewählt, 1948 zum stellvertretenden Bundesparteivorsitzenden. Schon ein Jahr später verstarb Franz Novy im Alter von erst 49 Jahren.
Architekten
Anton Potyka - Anton Potyka (1899-1973) gehörte während seines Studiums an der Technischen Hochschule ab 1917 zum engeren Kreis um Adolf Loos. Er arbeitete zunächst in verschiedenen Wiener Architekturateliers, ehe er sich in den 1930er-Jahren vor allem mit der Ausstattung von Kaffeehäusern selbstständig machte. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er mit seinem Sohn Hugo Potyka (geb. 1927) zusammen. Sie restaurierten u. a. das Wiener Dorotheum und planten mehrere Wohnbauten für die Gemeinde Wien.
Franz Gomsi - Franz Gomsi (1904-2000) studierte ab 1937 bei Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste Wien. Für die Gemeinde Wien entwarf er vorwiegend in Arbeitsgemeinschaften mehrere Wohnhäuser, wie etwa den Franz-Novy-Hof in Wien 16 (Koppstraße 97-101, 1950-1954) und die Anlage Czartoryskigasse 62-68 in Wien 18 (1953/54).
Viktor Werbik - Viktor Werbik (1905-1994) studierte zunächst von 1925 bis 1927 an der Kunstgewerbeschule in Breslau. In der Folge studierte er auch an der Technischen Hochschule in Breslau, an der Akademie der bildenden Künste Wien, an der Kunstakademie in Düsseldorf und an der Deutschen Technischen Hochschule in Prag. Viktor Werbik war vor allem wissenschaftlich tätig und publizierte zahlreiche Schriften über Bau- und Kunstdenkmäler. Als Architekt war er für die Gemeinde Wien unter anderem an der Planung zum Franz-Novy-Hof in Wien 16, Koppstraße 97-101 (1950-1954) beteiligt.
Karl Schneidmesser - Karl Schneidmesser (1908-1982) studierte von 1927 bis 1931 an der Technischen Hochschule Wien, wo er 1933 die 2. Staatsprüfung ablegte. Für die Gemeinde Wien war er unter anderem an den Entwürfen zum Franz-Novy-Hof in Wien 16, Koppstraße 97-101 (1950-1954) beteiligt.
Friedrich Lang - Friedrich Lang (1911-1978) studierte von 1932 bis 1937 Architektur an der Technischen Hochschule Wien, wo er 1938 mit der 2. Staatsprüfung abschloss und zudem 1938/39 die Meisterschule besuchte. Für die Gemeinde Wien entwarf er unter anderem den Karl-Kysela-Hof in Wien 16, Thaliastraße 159 (1967-1969), und zusammen mit Ernst Plojhar den Rudolf-Hitzinger-Hof in Wien 21, Leopoldauer Straße 70 (1969-1971), und die Anlage Rudolf-Zeller-Gasse 71 in Wien 23 (1972-1975).
Heinz Rollig - Heinz Rollig (1893-1978) studierte bis 1921 Architektur an der Akademie der bildenden Künste bei Friedrich Ohmann. Ab 1925 ist er als selbständiger Architekt in Wien tätig. 1927 gewann Rollig den Architekturwettbewerb für die Neugestaltung des Strandbads Kritzendorf. Von ihm stammen unter anderem das markante Eingangstor und mehrere Bungalows. Berühmtheit erlangte er mit dem ab 1936 erfolgten Ausbau des Franz-Joseph-Hauses am Großglockner zum Alpenhotel (1997 abgebrannt). Nach dem Zweiten Weltkrieg entwarf er im Zuge des Wiederaufbaus zahlreiche Wohnhäuser. In dieser Zeit war er unter anderem auch für die Esso-Standard tätig, für die er in ganz Österreich Service-Stationen errichtete.
Friedrich (Fritz) Novotny - Friedrich Novotny (1913-1999) war für die Gemeinde Wien vorwiegend in Arbeitsgemeinschaften an der Realisierung mehrerer großer Wohnhausanlagen beteiligt, wie etwa dem Hermine-Fiala-Hof in Wien 10, Troststraße 45a (1980-1982), und dem Franz-Novy-Hof in Wien 16, Koppstraße 97-101 (1950-1954).
Erich Kaindl - Erich Kaindl (1912-1979) studierte ab 1935 bei Peter Behrens an der Akademie der bildenden Künste Wien. Nach seinen Plänen wurde unter anderem die kommunale Wohnhausanlage Pachmüllergasse 21 in Wien 12 (1950/51) errichtet. Erich Kaindl war auch an den Entwürfen zum Franz-Novy-Hof in Wien 16, Koppstraße 97-101 (1950-1954), beteiligt.