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Winarskyhof

Fakten

Winarskyhof

Stromstraße 36-38, 1200 Wien

Baujahr: 1924-1925

Wohnungen: 560

Architekt: Josef Hoffmann, Peter Behrens, Josef Frank, Oskar Wlach, Oskar Strnad

Weitere Adressen

Winarskystraße 15-21, 1200 Wien

Vorgartenstraße 44, 1200 Wien

Pasettistraße 39-45, 1200 Wien

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Die weitläufige Wohnhausanlage wurde ab 1924 in Zusammenarbeit mehrerer namhafter Architekten errichtet. Der Wohnbau stellt gemeinsam mit dem benachbarten, gleichzeitig geplanten Otto-Haas-Hof eine städtebauliche Einheit dar. Die gesamte Anlage enthielt ursprünglich mehrere Geschäftslokale, einen Kindergarten, eine Bibliothek, einen ebenerdigen Bauteil - in dem bis 1936 das Winarsky-Kino betrieben wurde -, Ateliers und Werkstätten. Ursprünglich befand sich auf dem Platz vor dem Durchgang zum Hof das Denkmal für Ferdinand Lassalle - Schriftsteller und Wortführer der frühen deutschen Arbeiterbewegung - von Mario Petrucci (1928). Der Obelisk mit Bronzekopf wurde 1936 von den Austrofaschisten abgetragen.

Die Architektur

Die fünf- bis sechsgeschoßige Wohnhausanlage erstreckt sich auf einem Grundstück zwischen der Winarskystraße, der Stromstraße, der Vorgartenstraße und der Pasettistraße.
Gemeinsam mit dem "Internat Brigittenau" (ehem. Entbindungsheim Brigitta-Spital) in der Stromstraße und der Schule in der Vorgartenstraße - beide wurden einige Jahre zuvor errichtet - bildet der Wohnbau eine geschlossene Blockrandverbauung. Die Besonderheit der monumentalen Anlage liegt in der vierfachen Überbrückung der Leystraße, die gleichzeitig als Mittelachse und Durchzugsstraße fungiert. Über das breite Straßenportal in der Winarskystraße gelangt man in den ersten Innenhof und von dort in den zentralen Hof, ehe man den Wohnbau über den dritten Hof in Richtung Stromstraße wieder verlässt. Im zweigeschoßigen Gebäude im zentralen Innenhof sind Geschäftslokale untergebracht. Die Gestaltung der einzelnen Trakte geht auf die Pläne von mehreren Architekten zurück, wobei jeder für einen bestimmten Teil verantwortlich zeichnet. Im Großen und Ganzen beeindruckt der Wohnbau durch seinen schlichten Charakter, wobei einzelne Elemente wie Gesimse, Fensterrahmungen und Mauervorsprünge einen unverwechselbaren Eindruck hinterlassen. Der Eingangsbereich mit den Stiegen 15, 24, 25 und 28 stammt von Peter Behrens, einfache Gesimse gliedern hier die Fassade. Der erste Innenhof erweitert sich im Norden und wird von einem gelben Turm ergänzt, der zur benachbarten Schule überleitet. Der gelbe Turm und die dort untergebrachte Stiege 32 gehen ebenfalls auf die Planung von Peter Behrens zurück. Die Stiegen 1 bis 14 stammen von Josef Hoffmann, schmale Gesimsbänder und hochgezogene Giebelfelder ergänzen dort die Fassaden. Die restlichen Stiegen wurden von Josef Frank, Oskar Wlach und Oskar Strnad gemeinsam ausgeführt.

Der Name

Die Wohnhausanlage ist nach dem österreichischen Reichsratsabgeordneten der Sozialdemokratischen Partei Leopold Winarsky (1873-1915) benannt. Der gelernte Tapezierer schloss sich bereits früh dem Arbeiterbildungsverein an und war 1894 maßgeblich an der Gründung des Vereins jugendlicher Arbeiter beteiligt. 1906 wurde er zum ersten sozialdemokratischen Gemeinderat der Brigittenau gewählt und engagierte sich ein Jahr später als Reichsratsabgeordneter vor allem für die Rechte von Lehrlingen. Auch die Winarskystraße und das bis 1936 geführte Winarsky-Kino sollen an seine Verdienste erinnern.

Architekten

Josef Hoffmann - Josef Hoffmann (1870 - 1956) besuchte zunächst die Staatsgewerbeschule in Brünn (gemeinsam mit Adolf Loos, Leopold Bauer und Hubert Gessner) und studierte anschließend an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Karl Hasenauer und Otto Wagner. Der Mitbegründer der Wiener Secession wurde 1899 Professor an der Kunstgewerbeschule. Bekannt wurde er durch die Leitung der Wiener Werkstätten, die Gründung des Österreichischen Werkbundes 1912 und die Mitwirkung an der Werkbundsiedlung. Internationale Berühmtheit erlangte Hoffmann durch Bauten wie das Sanatorium Unter-Purkersdorf oder das Palais Stoclet in Brüssel. Er schuf eine große Anzahl von Wohnhäusern, darunter auch mehrere Gemeindebauten, sowohl im "Roten Wien" als auch in der Nachkriegszeit.

Peter Behrens - Peter Behrens (1868-1940) studierte ursprünglich Malerei und kam erst später durch Selbststudien zur Architektur. Durch seine Tätigkeit für die AEG (Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft), für die er in seiner Funktion als "künstlerischer Beirat" ab 1907 sowohl als Architekt als auch als Produktgestalter tätig war, gilt er als Begründer des modernen Industriedesigns. Die nach seinen Entwürfen entstandene AEG Montagehalle in Berlin ist eines der Hauptwerke der modernen Architektur. In seinem Architekturbüro lernten die wichtigsten Architekten des 20. Jahrhunderts ihr Handwerk: Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier. 1922 übernahm Behrens in Wien den Lehrstuhl Otto Wagners. Sein bedeutendstes Werk in Österreich ist die Zigarettenfabrik der Österreichischen Tabakgesellschaft in Linz (1929-1935).

Josef Frank - Josef Frank (1885-1967) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Seine Villen-Bauten der 1920er- und 1930er-Jahre gehören zu den bedeutendsten Werken der Moderne in Wien (z. B. Haus Beer, mit Oskar Wlach, 1929/30). Für die Gemeinde Wien errichtete er alleine und gemeinsam mit seinen langjährigen Partnern Oskar Wlach und Oskar Strnad mehrere Wohnhausanlagen. Die berühmte Werkbundsiedlung im 13. Bezirk wurde als Bauausstellung für ein neues, soziales Wohnen von ihm konzipiert (ab 1930). Frank emigrierte 1934 nach Schweden, wo er zum wichtigsten Wegbereiter des modernen Designs wurde.

Oskar Wlach - Oskar Wlach (1881-1963) studierte zunächst an der Technischen Hochschule Wien, an der er 1906 promovierte. Von 1906 bis 1907 war er an der Akademie der bildenden Künste Wien inskribiert, wo er die Meisterschule von Friedrich Ohmann besuchte. Als selbständiger Architekt ab 1907 arbeitete Wlach überwiegend mit Oskar Strnad und ab 1913 auch mit Josef Frank zusammen. Die Häuser Wildbrandgasse 3 und 11 in Wien 19 (beide mit Josef Frank und Oskar Strnad, um 1914) gehören zu den beeindruckendsten Zeugnissen der modernen Architektur in Wien vor dem Ersten Weltkrieg. In der Zwischenkriegszeit war er an der Realisierung mehrerer Wohnbauten für die Gemeinde Wien beteiligt, bevor er 1939 in die USA emigrierte.

Oskar Strnad - Oskar Strnad (1879-1935) studierte von 1900 bis 1903 an der Technischen Hochschule Wien. Er war vor allem als Innenarchitekt und Bühnenbildner tätig und lehrte an der Kunstgewerbeschule. In seiner Zusammenarbeit mit Oskar Wlach und Josef Frank wurde er zu einem der wichtigsten Vertreter der späten "Wiener Moderne." Von seinen wenigen realisierten Bauten ist noch die Villa Wassermann (Wien 19, Paul-Ehrlich-Gasse 4; mit Oskar Wlach) erhalten. Sein Doppelhaus für die Wiener Werkbundsiedlung wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Strnad, der auch die Wohnhausanlage Löschenkohlgasse 30-32, Wien 15, sowie einen Teil des Leopold-Winarsky-Hofes (Stromgasse 30-32, Wien 20) plante, erhielt 1948 posthum den Kulturpreis der Stadt Wien.