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Ernest-Bevin-Hof

Fakten

Ernest-Bevin-Hof

Andergasse 12, 1170 Wien

Baujahr: 1956-1958

Wohnungen: 201

Architekt: Franz Peydl, Siegfried Theiß, Walter Jaksch, Hans Jaksch

Weitere Adressen

Pointengasse 7-13, 1170 Wien

Wohnen in Wien

In den 1950er-Jahren ging es vor allem darum, Zerstörtes wieder aufzubauen und viele neue Wohnungen zu errichten. In den kommunalen Wohnbauten dieser Zeit finden sich die ersten Ansätze der sich später durchsetzenden Zeilenbauweise, die bis heute die großen Vorstadtsiedlungen prägt. Die Wohnbauten wurden größer, höher und waren verstärkt in Blockform gestaltet. Das Flachdach setzte sich durch. Alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern und WC ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.

Geschichte

Als die Gemeinde Wien das Grundstück zu Beginn der 1950er-Jahre ankaufte, befanden sich auf diesem mehrere abbruchreife Einfamilienhäuser, Gartenhäuser und Villen. Über 20 Grundstücke wurden für den Neubau zusammengefasst. Der alte Baumbestand, zum Teil ein Naturdenkmal, blieb großteils erhalten. Die Baukosten für die Anlage betrugen damals 26,8 Millionen Schilling (1,9 Mio. Euro). Die Anlage steht seit dem Jahr 2000 unter Denkmalschutz.

Die Architektur

Die weitläufige Anlage erstreckt sich auf üppig begrüntem, ansteigendem Terrain zwischen der Andergasse und der Pointengasse. Natursteinstiegen und schmale Pfade machen die Gebäude von allen Seiten her begehbar. Zwei sechsgeschoßige Sternhäuser bilden das Zentrum der Wohnanlage, um das mehrere kleinere Blöcke angesiedelt sind. Diese beherbergen insgesamt 16 Stiegenhäuser. Die kleineren Wohnblöcke sind teilweise in gekuppelter Bauweise errichtet und zu insgesamt elf Einheiten zusammengeschlossen. Die Fassadengestaltung ist äußerst schlicht. Sowohl die Sternhäuser als auch die kleineren Blöcke verfügen über ein schmales Sockelpodest aus Naturstein. Die Blöcke sind in hellen Pastelltönen und Weiß voneinander farblich differenziert. Schlichte Rechteckfenster mit schmalen Einfassungen und Balkone durchbrechen die sonst plane Fassade. Oberhalb der durchgängigen Hauptgesimse befinden sich unauffällige Giebeldächer. Die Anlage ähnelt formal schwedischen Beispielen der Nachkriegsarchitektur. Sie stellt eine konsequente Weiterführung der von dem Architektenteam Theiss & Jaksch schon in den 1920er-Jahren beim Sandleitenhof propagierten Bebauungsform dar. Besonders die Sternhäuser erlauben in einer offenen Bebauungsform gut auf die topographische Situation zu reagieren und schaffen fließende Freiräume. Den Bewohnern wird durch den ausgezeichneten Umgang mit dem Terrain sowie durch die für die Entstehungszeit typische und sehr detailliert gestalteten Wohnräume eine ausgezeichnete Wohnqualität geboten.

... und die Kunst

Die Wohnanlage wurde in den Jahren 1955-1958 künstlerisch äußerst reich ausgestaltet. Jeder Wohnblock verfügt über mindestens ein Hauszeichen an der Seite der Fassade. Dargestellt sind: "Linde", "Pappel", "Edelkastanie", "Ginkgoblätter", "Olivenblätter", "Salweidenblätter", "Blattornamente", "Eichenblätter", "Ebereschenblätter", "Nussbaumzweige", "Fichtenzweig", "Föhre", "Eibe", "Blätter des Tulpenbaumes". Darüber hinaus ist an einer Fassade eine Erntedarstellung in Form eines Steinzeugreliefs angebracht. Die Künstler Adele Stadler, Ferry Zotter, Hans H. Foitik, Elisabeth Eisler, Hubert T. Schimek, Rudolf Hoflehner, Josef Riedl und Heinz Satzinger gestalteten diese Wandreliefs. Die Bronzeplastik "Stehendes Mädchen" von Franz Fischer sowie die Plastiken "Ziehharmonikaspieler" von Elisabeth Turolt und "Zwei sitzende Figuren" von Oskar Bottoli befinden sich in der weitläufigen Grünanlage. Der Gedenkstein für Ernest Bevin wurde von Mario Petrucci entworfen. 1971 wurde eine Straßenfassade des Ernst-Bevin-Hofes anlässlich einer Ausgabe der Sendung "Wünsch dir was" von Friedensreich Hundertwasser umgestaltet und erhielt im zweiten Obergeschoß eine Fensterumrahmung mit den für den Künstler typischen Linien, Bögen und Spiralen. Diese wurde später durch ein witterungsbeständiges Mosaik ersetzt.

Der Name

Die Anlage wurde 1962 nach dem britischen Labour-Politiker und Gewerkschafter Ernest Bevin (1881-1951) benannt. Ernest Bevin stand in enger Verbindung mit der österreichischen Arbeiterbewegung und war ein persönlicher Freund von Präsident Dr. Schärf. Ernest Bevin war es, der 1946 mit der Initiative des zweiten Kontrollabkommens die Position österreichischer Volksvertreter - des österreichischen Nationalrats - unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg entschieden stärkte. Auch an einer Unteilbarkeit Österreichs in seinen heutigen Grenzen hielt Ernest Bevin fest. Mit der Benennung des Hofes dankt die Gemeinde Wien dem früheren Außenminister Großbritanniens. Ernest Bevin leitete auch die Umwandlung des Britisch Empire in die Völkergemeinschaft Commonwealth ein.

Prominente Bewohner

Franz Leinkauf (1910-1974) bewohnte diese Anlage. Er war Landtagsabgeordneter und Gemeinderat, Bezirksvorsteher und Gemeinderat der ÖVP Hernals sowie Vizepräsident der internationalen Vereinigung der Widerstandsbewegung.

Architekten

Franz Peydl - Franz Peydl (1907-1977) studierte bei Siegfried Theiß an der Technischen Hochschule Wien, wo er 1933 promovierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte er vor allem am Wiederaufbau zerstörter Wohn- und Geschäftshäuser in der Wiener Innenstadt mit. Peydl gewann aber auch den 1. Preis beim Wettbewerb für die Werksiedlung der NEWAG in Ottenstein (NÖ), die er auch ausführte. Gemeinsam mit dem Architektenbüro Theiß & Jaksch plante er mehrere Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien, wie etwa den Ernest-Bevin-Hof in Wien 17 (1956/58).

Siegfried Theiß - Siegfried Theiß (1882-1963) studierte an der Technischen Hochschule Wien und an der Akademie der bildenden Künste, wo er die Meisterschule von Friedrich Ohmann besuchte. 1907 gründete er eine Bürogemeinschaft mit seinem Kollegen Johann Jaksch, die bis 1960 bestand. Das Büro Theiß & Jaksch errichtete zahlreiche Bauten in der gesamten Monarchie. Ihr prominentestes Bauwerk ist das "Hochhaus" in der Herrengasse 6-8 (Wien 1, 1930/31). Theiß selbst war maßgeblich an der Schaffung der Österreichischen Baunormung und der neuen Wiener Bauordnung beteiligt.

Walter Jaksch - Walter Jaksch (1912-1998) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Bereits 1937 trat er in das von seinem Vater Hans Jaksch mitbegründete und in der Zwischenkriegszeit überaus erfolgreiche Architekturbüro Theiss & Jaksch als Bauleiter ein. 1939 wurde er jedoch zur Wehrmacht eingezogen und war später im NS-Rüstungsbau tätig. Nach Kriegsende war Walter Jaksch zunächst mehrere Jahre selbständig, trat jedoch 1954 wieder in das Büro seines Vaters ein. Zu seinen bedeutendsten Aufträgen zählen unter anderem der Umbau der Nationalbibliothek in Wien 1 (mit Margarete Scherer-Gressenbauer und Horst Gressenbauer, 1959-1966) und die Bauleitung bei der Errichtung des Hotels Intercontinental, Am Heumarkt in Wien 3 (mit Carl Appel und Holabird & Root, 1960-1962).

Hans Jaksch - Hans Jaksch (1879-1970) studierte von 1903 bis 1908 an der Technischen Hochschule Wien und besuchte 1907/08 die Meisterklasse von Friedrich Ohmann an der Akademie der bildenden Künste Wien. Nach dem Studium gründete Jaksch eine bis 1960 bestehende Arbeitsgemeinschaft mit Siegfried Theiß. Das Büro realisierte u. a. die 1976 eingestürzte Reichsbrücke, aber auch zahlreiche Fabriken, Krankenhäuser, Hotels und Wohnbauten.