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Franz-Bretschneider-Hof

Fakten

Franz-Bretschneider-Hof

Mitterhofergasse 17-19, 1210 Wien

Baujahr: 1924-1925

Wohnungen: 91

Architekt: Hans Reiser, Gustav Schläfrig

Weitere Adressen

Jedlersdorfer Straße 101, 1210 Wien

Preßburger Gasse 26, 1210 Wien

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Die betreffende Anlage wurde in den 1920er-Jahren als Erweiterung eines älteren Wohnbaus errichtet. Der erste Bau entstand wenige Jahre zuvor und wurde von demselben Architektenduo geplant. Der Wohnbau galt zur damaligen Zeit als erstes vollendetes "Volkswohnhaus" der Gemeinde Wien. Der ursprünglich vorgesehene Kindergarten wurde 1935 zugunsten von neuen Wohnungen aufgelöst. Nachdem die Anlage im Zweiten Weltkrieg beschädigt worden war, veranlasste man 1953 den Wiederaufbau.

Die Architektur

Der Wohnbau aus den 1920er-Jahren verläuft entlang der Mitterhofergasse und schließt direkt an eine Anlage aus derselben Zeit an. Sowohl die Grundrissidee als auch die Formensprache des älteren Baus werden hier fortgesetzt. Wie auch beim ersten Wohnbau der beiden Architekten handelt es sich um eine geschlossene Randverbauung. Der langgestreckte Baukörper besticht vor allem durch die abwechslungsreiche Gestaltung. Abstufungen und nach hinten versetzte Bauteile sorgen für eine lockere Gliederung der Straßenfront. Die Fassade ist in Fensterachsen aufgelöst, wobei die Fenster ohne Profilierung knapp in die Wandfläche eingeschnitten sind. Mehrere Rundbogenöffnungen führen in den Innenhof, der mit Brunnenanlagen und Sitzmöglichkeiten ausgestattet ist. Die Rundbogeneingänge sind von der Fassade nach vorne versetzt und beherbergen kleine Portierlogen. Neben den Walmdächern ergänzen vor allem die polygonalen Erker den lebendigen Gesamteindruck des Wohnbaus.

... und die Kunst

Über den Rundbogenöffnungen ist das Wappen von Wien angebracht. Aufgrund der damaligen Zugehörigkeit der Stadt Wien zu Niederösterreich wird hier noch das Wappen mit der Landeskrone verwendet.

Der Name

Der Wohnbau ist seit seiner Entstehung nach Franz Bretschneider (1866-1950) benannt. Der gelernte Mechaniker trat 1912 in den Wiener Gemeinderat ein, wo er bis 1918 tätig war. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er zum ersten sozialdemokratischen Bezirksvorsteher von Floridsdorf gewählt.

Architekten

Hans Reiser - Hans Reiser (1877-?) studierte von 1898 bis 1903 an der Technischen Hochschule Wien. Er war zunächst bei der NÖ Landesregierung beschäftigt, bevor er 1909 Mitglied des Österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins wurde und als selbständiger Architekt tätig war. Zu Beginn der 1920er-Jahre wurde Reiser Mitarbeiter im Büro von Gustav Schläfrig, der Chefarchitekt der Ein- und Mehrfamilienbaugenossenschaft war. Zusammen errichteten sie zahlreiche Wohnbauten. Selbständige Arbeiten sind von Reiser nicht überliefert. Ende der 1930er-Jahre wurde ihm aufgrund der schlechten Auftragslage gekündigt, womit sich seine Spuren verlieren.

Gustav Schläfrig - Gustav Schläfrig (1881-1950) studierte von 1900 bis 1906 an der Technischen Hochschule Wien. Bereits 1908 entwarf er (mit seinem Bruder Friedrich Schläfrig) das repräsentative Miethaus am Dannebergplatz 9 in Wien 3. Nach geleistetem Kriegsdienst und einigen Jahren als freiberuflicher Architekt wurde er 1923 Chefarchitekt der Ein- und Mehrfamilienbaugenossenschaft der Eisenbahner. Er nahm vorübergehend Hans Reiser in sein Büro auf, mit dem er zahlreiche Wohnhäuser in Wien und Niederösterreich realisierte. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurde ihm 1938 die Berufsbefugnis entzogen.