August-Bergmann-Hof
August-Bergmann-Hof
Favoritenstraße 8, 1040 WienBaujahr: 1978-1981
Wohnungen: 61
Architekt: Gerhard Krampf, Karl Schwanzer
Wohnen in Wien
Zwischen 1978 und 1981 wurde zur Wohnungsverbesserung in Wien insgesamt ein Darlehensvolumen für über 48.000 Wohnungen zugesichert. 39 Wohnanlagen wurden fertig saniert, an weiteren 86 mit einem Kostenaufwand von 52 Mio. Euro gearbeitet. Zusätzlich wurden über 6.000 neue Wohnungen fertig gestellt. Die Architektur wandelte sich - dank des technischen Fortschritts in der Plattenbauweise - vom Zeilenbau hin zu flexibler gestalteten Anlagen mit individuellem Charakter und mieterfreundlichen Grundrissen. Gleichzeitig verstärkte sich das Mietermitspracherecht und serviceorientierte Wohnungsberatungszentren wurden etabliert.
Geschichte
Auf dem Areal des heutigen August-Bergmann-Hofes befand sich einst das 1908 nach Plänen des Architekten Eduard Prandl erbaute Johann-Strauß-Theater, zu dessen Eröffnung die erste Operette von Johann Strauß "Tausend und eine Nacht" aufgeführt wurde. Wegen der Wirtschaftskrise und des Überlebenskampfes des Theaters erfolgte 1931 der Umbau in das moderne "Scala-Kino". In den Jahren 1948-56 nahm das Kino als "Neues Theater in der Scala", das die Sowjets einer kommunistischen Theatergruppe unter dem Schauspieler Karl Paryla zur Verfügung gestellt hatten, seinen Spielbetrieb wieder auf. Die "Scala" entwickelte sich alsbald zum kulturellen Mittelpunkt der Wieden. Streitigkeiten um staatliche Unterstützung (nach dem Abzug der Russen verlor das Theater 1956 seine Konzession) und Besitzrechte führten dazu, dass das baufällige Gebäude 1959 abgetragen wurde. Der Platz blieb in Folge 20 Jahre ungenützt, bis mit dem Bau der städtischen Wohnhausanlage begonnen wurde.
Die Architektur
Der auf den ehemaligen Scala-Gründen errichtete riesige Gebäudekomplex wurde nach Plänen der Architekten Karl Schwanzer und Gerhard Krampf in zwei Bauabschnitten ausgeführt. Der 1981 fertig gestellte August-Bergmann-Hof bildet die nordöstliche Begrenzung des Platzes, daran anschließend folgt die zweite Wohnhausanlage entlang der Paulanergasse mit einer Ausmündung und überdachten Grünfläche in der Neumanngasse. Das Gebäude ist siebengeschoßig und verfügt über ein ausgebautes Dachgeschoß, die Erdgeschoßzone nimmt die Geschäftslokalitäten sowie eine Bibliothek auf. Architektonisch charakteristisch für die beiden Anlagen sind die polygonalen Erkerausbildungen mit den schrägen Anschlüssen, die die straßenseitigen Aufrisse gliedern. Stirnseitig sind zwei weit auskragende, erkerähnliche Bauteile angeordnet, die das Wohnhaus zur Mozartgasse hin begrenzen. Im Erdgeschoß wurden - entlang der Favoritenstraße und der Paulanergasse - Arkaden freigestellt, der Eingang befindet sich an der abgeschrägten Hausecke, darüber befindet sich ein markanter Erker mit ums Eck geführten Fensterbändern. Insgesamt ist mit der Errichtung der beiden Gebäudekomplexe und der integrierten Grünfläche nicht nur eine Wohnhausanlage auf qualitativ hohem Niveau entstanden, sondern auch ein spannungsreicher Kontrast zu dem überwiegend biedermeierlich und gründerzeitlich geprägten Straßenbild.
... und die Kunst
Der in Wien lebende Künstler Kurt Spurey (geb. 1941 in Mariazell/Steiermark) gestaltete für die städtische Wohnhausanlage eine Betonwand (Favoritenstraße, Ecke Paulanergasse) mit dem Namen "Bewegung".Eine durch das Bezirksmuseum Wieden 1999 aufgestellte Gedenktafel erinnert an das ehemalige Johann-Strauß-Theater, das 1931 zu einem Kino "Die Scala" und später "Theater in der Scala" umgebaut wurde, und das 1960 abgetragen wurde.
Der Name
August Bergmann (1906-1966) war seit seiner frühesten Jugend Mitglied der sozialdemokratischen Bewegung. Nach einer kurzen Unterbrechung während der Februarrevolution 1934 übte Bergmann die Funktion als Bezirksorganisationsleiter der Revolutionären Sozialisten in Wieden weiter aus. Während seiner dreimaligen Verhaftung im Austrofaschismus verbrachte der spätere Bezirksrat insgesamt zwei Jahre im Gefängnis, von September 1939 bis 1945 wurde Bergmann im KZ-Buchenwald festgehalten. 1954 folgte die Angelobung zum Bezirksvorsteher-Stellvertreter von der Wieden. Darüber hinaus fand seine politische Arbeit in der SPÖ-Bezirksorganisation Anerkennung.
Architekten
Gerhard Krampf - Gerhard Krampf (1924-1992) studierte von 1946 bis 1950 an der Universität für Angewandte Kunst Wien, wo er die Meisterklasse von Franz Schuster besuchte. Ab 1951 war er immer wieder Mitarbeiter im Büro von Karl Schwanzer und von 1970 bis 1975 dessen Entwurfsleiter. So war er unter anderem am Bau des Österreichischen Pavillons der Weltausstellung 1967 in Montreal und am Bau der BMW-Zentrale in München (1973) beteiligt. Nach Schwanzers Tod 1975 übernahm Krampf dessen Büro. Sein bedeutendstes Werk in Wien ist das noch gemeinsam mit Karl Schwanzer geplante Universitätszentrum in der Althanstraße (Althanstraße 14, Wien 9, 1976).
Karl Schwanzer - Karl Schwanzer (1918-1975) zählt zu den wichtigsten Vertretern der österreichischen Nachkriegsarchitektur. 1940 schloss er sein Studium an der Technischen Universität Wien ab und eröffnete 1949 ein eigenes Atelier in Wien, 1963 ein weiteres in München. Ab 1959 hatte er eine Professur an der TH Wien inne. Zu seinen bedeutendsten Bauten zählen der Österreichische Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel 1958 (heute: Museum des 20. Jahrhunderts, Wien 3) und die BMW-Zentrale in München (1973). Posthum erhielt er 1975 den Großen Österreichischen Staatspreis.