Ybbsstraße 40-42
Ybbsstraße 40-42
Ybbsstraße 40-42, 1020 WienBaujahr: 1927-1928
Wohnungen: 36
Architekt: Erich Franz Leischner
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Die Wohnhausanlage liegt inmitten des Stuwerviertels, das von der Ausstellungsstraße, der Lassallestraße und der Donau begrenzt wird. Lange Zeit war ein Teil des heutigen Stuwerviertels - wegen seiner Nähe zur damals noch unregulierten Donau - Augebiet. Erst nach Abschluss der Donauregulierung 1875 setzte hier die städtebauliche Entwicklung ein. Seinen Namen verdankt das Viertel Johann Georg Stuwer (1732-1802), der ab 1774 die Wienerinnen und Wiener mit Kunstfeuerwerken begeisterte. Seine Nachfahren waren bis 1879 im nahe gelegenen Prater als Feuerwerksveranstalter tätig.
Die Architektur
Die glatten Fronten der beiden äußersten Fensterachsen heben das Wohnhaus von seinen plastisch durchgestalteten Nachbargebäuden aus der Zeit um 1900 ab. Am Bau ist deutlich der Übergang von der expressionistischen Formgebung der frühen 1920er-Jahre zur reduziert schlichten Architektur im kommunalen Wohnbau der 1930er-Jahre zu erkennen. Die mit Klinker verkleidete Sockelzone ist über das Erdgeschoß hochgezogen und dezent zur Mitte hin vorgestuft. Über einem figurativ ausgeformten Relieffries setzen die glatten Fronten der über die Baulinie vorgezogenen Obergeschoße an. Zur Mitte hin wieder zurückspringend wird es ermöglicht, dem ersten Obergeschoß einen durchgehenden Balkon vorzulagern. Vertikale Akzente setzen zwei Achsenpaare hochrechteckiger Fenster, die - in vertiefte Wandfelder eingesetzt - zusätzlich die mehrschichtige Fassadenstruktur betonen. Die querrechteckigen Fenster des obersten Stockwerkes schließen das Gebäude kompakt nach oben hin ab. Im Gegensatz zur geschlossenen Straßenfront ist die Hoffassade großzügig mit Balkonen ausgestattet.
... und die Kunst
Der Bildhauer Josef Franz Riedl stattete die Fassade des Wohnhauses mit einem expressionistisch durchmodellierten Keramikrelief aus. In Fortsetzung des mit Klinker verkleideten Erdgeschoßes findet sich hier das Ziegelmotiv, in das Pflanzen und kleine Tiere eingesetzt sind.
Der Name
Die Wohnhausanlage in der Ybbsstraße 40-42 wurde nicht gesondert benannt. Die Straße, in der sie sich befindet, heißt seit 1905 nach dem gleichnamigen Fluss in Niederösterreich.
Architekten
Erich Franz Leischner - Erich Franz Leischner (1887-1970) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien, u. a. bei Carl König. Bereits ab 1911 bis zu seiner Pensionierung 1949 war er für das Wiener Stadtbauamt tätig. Für das Rote Wien erbaute er neben zahlreichen Wohnhausanlagen unter anderem auch das Kongressbad (1928). In den 1930er-Jahren wurde nach seinem Konzept (gemeinsam mit Alfred Fetzmann) die Höhenstraße angelegt. Ab 1949 war er als selbständiger Architekt tätig. In dieser Zeit entstanden unter anderem die Rotundenbrücke (1953-1955) und die Salztorbrücke (1960-1961) nach seinen Entwürfen.