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Eveline-Andrlik-Hof

Fakten

Eveline-Andrlik-Hof

Engerthstraße 232-238, 1020 Wien

Baujahr: 1963-1964

Wohnungen: 565

Architekt: Karl Schwanzer, Wilhelm (Willi) Reichel, Hans Riedl, Hans Wölfl, Carl Auböck

Wohnen in Wien

In den 1960er-Jahren nahm der Wohnbau in Wien bis hin zum Wohnungsbauboom der 1970er-Jahre kontinuierlich zu. Die Grundlage dafür bildeten 1961 ein städtebauliches Konzept und ein Generalverkehrsplan von Roland Rainer. Der geplante U-Bahn-Bau sowie die Erschließung bisheriger Randgebiete nördlich der Donau förderten diese Entwicklung. Besonders am südlichen und östlichen Stadtrand gab es Grundstücke zu günstigen Preisen, auf denen neue große Wohnviertel geschaffen wurden. Die neue Fertigteilbauweise mit vorgefertigten Betonelementen erlaubte es, in kurzer Zeit ganze Stadtteile neu zu errichten.

Geschichte

Durch die latente Hochwassergefahr war eine Besiedelung der Gegend über Jahrhunderte hinweg unmöglich. Erst mit der Donauregulierung 1870-1875 gewann man Kontrolle über den Strom. Damit war die Möglichkeit zur Industrialisierung eröffnet - ein für die wirtschaftliche Entfaltung der Donaumonarchie höchst bedeutsamer Faktor. Bedingt durch die kurze Entstehungszeit, besitzt das Wohnviertel eine relativ einheitliche und unverwechselbare Charakteristik. Nächst dem Gemeindebau befanden sich die Siemens-Schuckert-Werke - um 1900 die modernste Fabrik der Elektroindustrie. Das Grundstück, auf dem der Neubau steht, wurde 1920 von der Gemeinde Wien erworben.

Die Architektur

Die Wohnhausanlage umfasst mehrere neun Stockwerke hohe Baublöcke, deren Längsachse nach der Engerthstraße und der Vorgartenstraße orientiert ist. Das Nebeneinander sowie die Proportion der rechteckigen, schmalen Gebäude lassen den Eindruck einer fortlaufenden Reihung entstehen, was eine achsenzentrierte Annäherung unmöglich macht. Der damit erzielte egalitäre Charakter wird durch die Gliederung der Fronten unterstützt. Über der etwas zurückgesetzten, farblich differenzierten Sockelzone betonen Putzfelder zwischen den Fenstern gleichmäßig die Horizontale. Dadurch wirkt der Bau niedriger, als es seinen tatsächlichen Dimensionen entspricht. Die Fassadenabschnitte sind in der Engerthstraße fallweise versetzt und durch schmale vortretende Mauerteile vertikal gegliedert. In der Vorgartenstraße alternieren die Fensterbänder rhythmisch mit verglasten Loggien. Durch die konzentrierte Stapelung möglichst vieler Wohnungen wurden große, begrünte Freiflächen geschaffen, die zu den Straßenseiten geöffnet sind. Der Auffassung der Zeit entsprechend, wurde der Forderung, Wohnen und andere Funktionen wie Einkaufen zu trennen, durch ein eingeschoßiges Gebäude Rechnung getragen, das heute als Büro genutzt wird.

Der Name

Die Straße, in der die Wohnhausanlage steht, ist nach Hofrat Wilhelm Ritter von Engerth (1814-1884) benannt. Der Namensgeber war Generalinspektor der Staatseisenbahngesellschaft, Mitarbeiter der Donauregulierungskommission und Konstrukteur des Sperrschiffes am Beginn des Donaukanals in Nußdorf.

Eveline Andrlik arbeitete ab 1959 in der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1971 wurde sie in den Wiener Gemeinderat bzw. Landtag gewählt, dem sie in verschiedenen Funktionen bis 1991 angehörte. Als Mitglied des Gesundheitsausschusses im Gemeinderat engagierte sie sich in den 1970ern und 1980ern Jahren besonders für die Weiterentwicklung der Pensionist*innenwohnhäuser, der Ausweitung des Psychosozialen Dienstes sowie der Modernisierung der städtischen Krankenanstalten. Sie war Trägerin des Goldenen sowie des Großen Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien und der Julius-Tandler-Medaille der Stadt Wien in Gold. Eveline Andrlik starb am 26. Jänner 2016 in Kirchdorf an der Krems.

Architekten

Karl Schwanzer - Karl Schwanzer (1918-1975) zählt zu den wichtigsten Vertretern der österreichischen Nachkriegsarchitektur. 1940 schloss er sein Studium an der Technischen Universität Wien ab und eröffnete 1949 ein eigenes Atelier in Wien, 1963 ein weiteres in München. Ab 1959 hatte er eine Professur an der TH Wien inne. Zu seinen bedeutendsten Bauten zählen der Österreichische Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel 1958 (heute: Museum des 20. Jahrhunderts, Wien 3) und die BMW-Zentrale in München (1973). Posthum erhielt er 1975 den Großen Österreichischen Staatspreis.

Wilhelm (Willi) Reichel - Wilhelm (Willi) Reichel (geb. 1917) studierte von 1935 bis 1949 Architektur an der Technischen Hochschule Wien und besuchte ebendort 1951/52 auch die Meisterschule. Für die Gemeinde Wien war er vorwiegend in Arbeitsgemeinschaften an der Errichtung mehrerer Wohnhausanlagen beteiligt, wie etwa der Anlagen Paulinengasse 13 in Wien 18 (1950-1952) und Ottakringer Straße 188 in Wien 16 (1984/85).

Hans Riedl - Hans (Johann) Riedl (1920-1993) studierte von 1940 bis 1949 Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Für die Gemeinde Wien war er an der Errichtung mehrerer großer Wohnhausanlagen beteiligt, wie etwa am Heinrich-Hajek-Hof in Wien 15, Oeverseestraße 13-19 (1954-1956), und der Anlage Engerthstraße 232-238 in Wien 2 (1963/64).

Hans Wölfl - Hans Wölfl (1911-2005) studierte Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Clemens Holzmeister und erhielt bereits 1936 den Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst. Neben seiner Unterrichtstätigkeit entwarf der Architekt Möbel, Interieurs, Schulen und öffentliche Gebäude sowie mehrere Wohnhäuser in Niederösterreich. Für die Gemeinde Wien erbaute er die Wohnhausanlagen in der Sternwartestraße 29 (1950), am Rosenhügel-Bertegasse (1962) und in der Vorgartenstraße (1964).

Carl Auböck - Carl Auböck (1924-1993) studierte zunächst bis 1949 an der Technischen Hochschule Wien. Im Anschluss daran war er an der Akademie der bildenden Künste bei Lois Welzenbacher inskribiert und absolvierte ein Postgraduate Studium am Massachusetts Institute of Technology (USA). Erste Arbeiten beschäftigten sich mit in Massenproduktion hergestellten Wohnungseinrichtungen und mit der Vorfertigung von Einzelteilen für Einfamilienhäuser. Nach dieser Methode entstand die Musterhaussiedlung Veitingergasse 64 in Wien-Lainz (1953/54, zusammen mit Roland Rainer). Große Beachtung fand Auböck auch für seine Design-Entwürfe, die heute zum Teil als Klassiker gelten, wie etwa sein "Cocktail-Shaker". Ab 1977 war er Professor an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, wo er ab 1987 dem Institut für Produktgestaltung vorstand.