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Dr.-Ellenbogen-Hof

Fakten

Dr.-Ellenbogen-Hof

Brigittenauer Lände 148-154, 1200 Wien

Baujahr: 1959-1961

Wohnungen: 353

Architekt: Oskar Unger, Raymund Schüller, Franz Wafler sen., Alfred Bartosch, Julius Csizmazia, Ernst Lederer-Ponzer

Weitere Adressen

Klosterneuburger Straße 118-122, 1200 Wien

Dietmayrgasse 12-14, 1200 Wien

Wohnen in Wien

In den 1950er-Jahren ging es vor allem darum, Zerstörtes wieder aufzubauen und viele neue Wohnungen zu errichten. In den kommunalen Wohnbauten dieser Zeit finden sich die ersten Ansätze der sich später durchsetzenden Zeilenbauweise, die bis heute die großen Vorstadtsiedlungen prägt. Die Wohnbauten wurden größer, höher und waren verstärkt in Blockform gestaltet. Das Flachdach setzte sich durch. Alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern und WC ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.

Geschichte

Die Gegend, in der sich die Wohnhausanlage befindet, war bis zur Donauregulierung 1870-1875 zu großen Teilen eine Aulandschaft mit Fasangarten, den Josef II. 1775 gemeinsam mit dem Augarten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte. Das Gebiet wurde anfangs hauptsächlich von Fischern, Jägern und Holzfällern bewohnt, später kamen Gärtner und Wirte hinzu. Im 19. Jahrhundert begann man mit dem Anlegen von Küchengärten sowie mit der Ansiedelung der ersten Fabriken. Zu dieser Zeit setzte eine Verbauung des Landes ein, die freilich bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges keineswegs flächendeckend war. Baulücken wurden in großem Umfang erst durch den kommunalen Wohnbau der Ersten Republik geschlossen. Im Jahr 1900 wurde die Umgebung des Gemeindebaus von der Leopoldstadt getrennt und als eigenständiger Bezirk eingerichtet.

Die Architektur

Die Wohnhausanlage umfasst vier gegeneinander versetzte Blöcke. Drei kleinere Bauten liegen an der Klosterneuburger Straße, ein größeres Haus an der Brigittenauer Lände. Parallel zu diesem befindet sich ein langgestreckter Block und an der Dietmayrgasse, die im rechten Winkel dazu liegt, ein weiteres langgestrecktes Gebäude. Die zur Straße hin geöffnete Anlage ist eine Weiterentwicklung von Wohnkonzepten aus den 1920er- und 1930er-Jahren. Sie bricht mit der intimen, geschlossenen Hofform der Wiener Tradition zugunsten einer möglichst konzentrierten Stapelung der Wohnungen, die großzügigen Raum für den Erholungsbedarf und Freizeiteinrichtungen lässt. Umgeben von ausgedehnten Grünflächen, befindet sich im Zentrum der Anlage ein Kinderspielplatz. In die Planung miteinbezogen sind auch Gemeinschaftseinrichtungen wie ein Kinosaal. Die Häuser sind architektonisch einheitlich gestaltet und einfach gegliedert. Sie weisen einen schmalen, farblich differenzierten Sockel auf. Axial angeordnete Balkone und Loggien alternieren in regelmäßigen Abständen mit quadratischen Fenstern, was den Fassaden ein rhythmisches Erscheinungsbild verleiht.

... und die Kunst

In der Wohnhausanlage befinden sich mehrere Kunstwerke. Rudolf Kedls auf 1959-1961 datierende Skulptur aus Naturstein zeigt "Vater und Sohn". Von Wander Bertoni stammt die mit einem Mosaik überzogene Brunnenplastik aus den Jahren 1959-1964. Zudem befindet sich zwischen den Blöcken eine von Kurt Ohnesorgs gestaltete Vogeltränke aus Steinzeug (1960/61).

Der Name

Die Wohnhausanlage ist nach Wilhelm Ellenbogen (1863-1951) benannt. Der Namensgeber war Sohn eines Volksschullehrers. Er studierte in Wien Medizin und schloss sich 1888 der Arbeiterbewegung an. Er wurde 1891 Leiter des Unterrichtsverbandes der Arbeiterbildung- und Fachvereine Wiens, ein Vorläufer der Bildungszentrale. 1892 wurde Ellenbogen in die Parteileitung gewählt, der er bis 1934 angehörte. Er engagierte sich besonders für das allgemeine Wahlrecht und erarbeitete Grundlagen für eine sozialdemokratische Agrarpolitik. 1934 floh er in die USA, wo er sich als Publizist und Vortragender betätigte. Auch übernahm er leitende Funktionen in der dortigen Organisation österreichischer Sozialdemokraten.

Architekten

Oskar Unger - Oskar Unger (1877-1972) studierte von 1896 bis 1902 an der Akademie der bildenden Künste, wo er von Vertretern des Späthistorismus ausgebildet wurde. Zunächst arbeitete er in Architekturbüros mit, wo er vor allem mit Restaurierungsarbeiten betraut war. Als selbstständiger Architekt errichtete er in den 1920er-Jahren nur zwei Bauten - beides Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Unger am Bau von zwei weiteren Wohnhausanlagen beteiligt.

Raymund Schüller - Raymund Schüller (1910-1994) wurde 1910 als Sohn des Baumeisters Franz Schüller in Wien geboren und besuchte nach der technisch-gewerblichen Bundeslehranstalt die Meisterklasse von Professor Peter Behrens an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Nach seinem Diplom 1935 absolvierte Schüller eine Praxis in einem Baumeisterbetrieb sowie im Atelier seines ehemaligen Lehrers Peter Behrens. Die Hauptschaffenszeit des Architekten erstreckte sich auf die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, in denen er vorwiegend Wohnhäuser in Wien und Salzburg plante, aber auch - gemeinsam mit seinem Kollegen Felix Hasenöhrl - einen Industriebau für die Fa. Filzamer Stahlbau in Wien 10.

Franz Wafler sen. - Franz Wafler sen. (1915 - 2002) studierte während des Zweiten Weltkriegs Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Er eröffnete sein eigenes Büro kurz nach 1945. Seine beiden Söhne, Wilfried und Franz, traten in das Büro des Vaters ein und führten es auch nach seinem Tode weiter. Franz Wafler sen. war vorwiegend für Wohnbaugenossenschaften tätig: Siedlungswerk - An den Langen Lüssen, Wien 19; Sozialer Wohnbau (450 Wohnungen) - Hardeggasse, Wien 22 sowie Terrassensiedlung, Wien 14. Für die Gemeinde Wien errichtete Franz Wafler sen. unter anderem ein Haus in der Margaretenstraße 46.

Alfred Bartosch - Alfred Bartosch (1901-1969) studierte ab 1920 Architektur bei Franz Krauss und Peter Behrens an der Akademie der bildenden Künste Wien. Bartosch war vorwiegend in größeren Architektengemeinschaften an der Errichtung mehrerer Wohnhausanlagen der Gemeinde Wien beteiligt, wie etwa am Dr.-Ellenbogen-Hof in Wien 20 (Brigittenauer Lände 148-154, 1959-1961) und an der Anlage Landstraßer Hauptstraße 173-175 in Wien 3 (1953-1956).

Julius Csizmazia - Julius Cszizmazia (1911-1964) studierte von 1929 bis 1938 an der Bauschule der Technischen Hochschule Wien. Für die Gemeinde Wien war er vorwiegend in Arbeitsgemeinschaften an der Planung mehrerer großer Wohnhausanlagen beteiligt, wie etwa an der Anlage Schönbrunner Straße 195 in Wien 12 (1969) und Arndtstraße 30-34 in Wien 12 (1969-1971), die beide allerdings erst nach seinem frühen Tod errichtet wurden.

Ernst Lederer-Ponzer - Der in Brünn (Tschechien) geborene Ernst Lederer-Ponzer (1909-2003) war bereits als Architekt tätig, als er sich 1946 bei Erich Boltenstern und Emil Pirchan an der Akademie der bildenden Künste Wien als Student einschrieb. Für die Gemeinde Wien war er vorwiegend in Arbeitsgemeinschaften an der Errichtung mehrerer Wohnhausanlagen beteiligt. Eigenständig plante Ernst Lederer-Ponzer unter anderem die Wohnhäuser Ziegelofengasse 24-26 in Wien 5 (1980/81) und Clementinengasse 3 in Wien 15 (1979/80).