Große Schiffgasse 32
Große Schiffgasse 32
Große Schiffgasse 32, 1020 WienBaujahr: 1991-1992
Wohnungen: 18
Architekt: Reinhard Gieselmann
Wohnen in Wien
In den 1990er-Jahren konzentrierte sich die Stadt Wien neben geförderten Sanierungen hauptsächlich darauf, die Stadt im Nordosten und Süden zu erweitern (21.000 Wohnungen in vier Jahren). In enger Zusammenarbeit mit der Stadtplanung wurden großflächig Siedlungsgebiete erschlossen, so zum Beispiel der Leberberg in Simmering. Die Gemeindebauten, die nun für eine breitere Bevölkerungsschicht zugänglich sind, passen sich den modernen Bevölkerungsstrukturen an, indem sie flexible Wohnungen auch für Alleinerziehende, ältere Menschen und Alleinstehende bieten. Zudem sparen sie durch eine nachhaltige Bauweise Betriebskosten und Energie.
Geschichte
Um 1624 war die Umgebung des heutigen Gemeindebaus ein jüdisches Getto. Die Ansiedlung war eher ärmlich, geistig und wirtschaftlich aber sehr bedeutend. Wachsender Antisemitismus und Glaubensfanatismus führten allerdings immer wieder zu Vertreibungen und Bekehrungsversuchen. 1670 wurde das Getto von Kaiser Leopold I. aufgelöst. Die dort befindliche "Neue Synagoge" wurde abgerissen und an deren Stelle die "Leopoldskirche" erbaut. Das Grundstück, auf dem der Neubau steht, wurde 1927 von der Stadt Wien erworben. Während der 1950er-Jahre wurde das 1849 errichtete Vorgängerhaus als Schulgebäude genutzt.
Die Architektur
Das vier Stockwerke umfassende Gebäude befindet sich an der Kreuzung der Großen Schiffgasse mit der Schiffamtsgasse. In der Großen Schiffgasse schließt ein vom selben Architekten zur gleichen Zeit geplantes Wohnhaus an. Bei diesem ist das Mauerwerk im Erdgeschoß etwas zurückgesetzt, was hier in der Sockelzone aufgegriffen wird und sich im äußersten, an das Nachbarhaus grenzenden Abschnitt der Front in der Großen Schiffgasse bis zur Traufenlinie fortsetzt. Die zurücktretenden Teile werden durch unterschiedliche Grundfarben differenziert. In der Vertikalachse des zurückgesetzten Fassadenabschnittes befinden sich französische Fenster, die ein Gegengewicht zu der durch Loggien betonten Ecke des Gebäudes schaffen. Entscheidend für den Aufbau ist die seitliche Positionierung der Eingangsbereiche. Sie ermöglicht es, die Mauer in den Mittelteilen der Straßenfassaden als eine alle Geschoße übergreifende Einheit zu gestalten. In der Schiffamtsgasse wird die Mittelachse im Erdgeschoß von zwei Geschäftsfenstern flankiert und durch kleine, quadratische Fenster gegliedert. Die Fassade in der Großen Schiffgasse steigt in der Zentralachse zu einem giebelförmigen Dachaufbau an. Entlang der Mittellinie überspielen schmale Fenster die Geschoße. Die symmetrisch dazu angelegten Fenster der Seitenteile sind horizontal und vertikal in gleichem Abstand zueinander angeordnet. Die Hoffassade tritt entlang der Zentralachse in einem flachen Winkel vor. Zwei flankierende, fensterlose Mauerstreifen, die gegenüber dem Mittelteil abfallen, betonen die Symmetrie. In den beiden äußeren Achsen springt die Front zurück.
Der Name
In der Gasse, in der das Wohnhaus steht, befanden sich einst Einkehrhöfe für Schiffer. Eines dieser Gebäude trug das Hauszeichen "Zum großen goldenen Schiff", wovon sich der Name "Große Schiffgasse" ableitet. Die Beifügung "Große" blieb bestehen, obwohl die "Kleine Schiffgasse" 1919 in Franz-Hochedlinger-Gasse umbenannt wurde.
Architekten
Reinhard Gieselmann - Reinhard Gieselmann (geb. 1925 in Münster/Westfalen) studierte Architektur zunächst an der Technischen Hochschule Danzig und von 1946 bis 1950 an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Seine Promotion erfolgte 1955 an der Technischen Hochschule Aachen. Bereits seit 1953 ist er als freiberuflicher Architekt unter anderem in Ludwigshafen/Rhein, in Karlsruhe und seit 1977 in Wien tätig. 1969 erhielt er eine Professur für Wohnbau und Entwerfen an der TH bzw. TU Wien, wo er bis 1992 lehrte. In dieser Zeit war er auch Vorsitzender des Wiener Fachbeirates für Stadtplanung. Das Stadtbild Wiens prägte er vor allem durch seine postmodernen Wohnbauensembles, wie etwa die BUWOG-Wohnhäuser in Wien 19 (Peter-Jordan-Straße 145, 1969-1973). Sein prominentestes Bauwerk ist aber das Bibliotheksgebäude der TU Wien am Karlsplatz (zusammen mit Justus Dahinden, 1984-1987).