Ziehrerplatz 8
Ziehrerplatz 8
Ziehrerplatz 8, 1030 WienBaujahr: 1931-1932
Wohnungen: 30
Architekt: Theophil Nieman
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Bis ins späte 19. Jahrhundert bestand das Gebiet zwischen Ungargasse und Landstraßer Hauptstraße großteils aus Gemüsegärten und prachtvollen Schlossgärten. Im Bereich des Dannebergplatzes befand sich die weitläufige Parkanlage des Palais Arenberg (Landstraßer Hauptstraße 96, 1958 abgerissen). Der Garten des ehemaligen Palais Sternberg (heute italienisches Kulturinstitut, Ungargasse 43) reichte bis zum heutigen Ziehrerplatz. Er galt mit seiner Orangerie und dem Treibhaus im 19. Jahrhundert als Sehenswürdigkeit. Ab 1900 wurden die Grünflächen parzelliert und der Dannebergplatz, der Sebastianplatz und der Ziehrerplatz angelegt, um die man bis zum Ersten Weltkrieg großbürgerliche Wohnhäuser errichtete.
Die Architektur
Dominiert wird die Straßenfront des sechsgeschoßigen Wohnhauses von der klassizistisch anmutenden Eingangssituation. Vier aus Klinker gebildete Wandpfeiler tragen ein massives Gebälk. Zwischen den Wandpfeilern befinden sich links der Hauseingang, rechts ein Fenster und in der Mitte kleine Lüftungsöffnungen. Die Laibungen der Fenster seitlich der portikusähnlichen Eingangssituation sind ebenfalls mit Klinker ausgekleidet und werden von Blendbögen bekrönt. Ein kräftiges Gesimsband grenzt das Erdgeschoß von den Obergeschoßen ab. Der zentralen, deutlich hinter die Fassadenflucht zurück versetzten Achse sind breite, mit markant abgestuften Seitenbrüstungen versehene Balkone vorgelagert. Seitlich davon befinden sich je eine Achse breiter und eine Achse schmaler Fenster, die tief in die Fassade eingesetzt sind. Filigrane Gesimse fassen die Fenster zu horizontalen Bändern zusammen. Durch die plastische Durchformung wird das Gebäude an die späthistoristische Verbauung der Umgebung angepasst, wobei allerdings der expressionistische Einfluss der kommunalen Architektur der 1920er-Jahre spürbar bleibt.
Der Name
Seit 1933 trägt der Platz den Namen des Komponisten Carl Michael Ziehrer (1843 - 1922). Er schuf rund 600 musikalische Werke, darunter viele Tänze (wie z. B. die berühmte "Fächerpolonaise") und 22 Operetten. 1907 wurde Ziehrer, der auch Kapellmeister des k. u. k. Infanterieregiments No. 4 "Hoch- und Deutschmeister" war, zum letzten k. u. k. Hofballmusikdirektor ernannt.
Prominente Bewohner
Adolf Lahner wohnte in diesem Haus. Er war von 1919 bis 1934 Bezirksvorsteher des 3. Wiener Gemeindebezirks.
Architekten
Theophil Nieman - Theophil Niemann (1883-1962) studierte von 1905 bis 1906 an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Friedrich Ohmann sowie von 1906 bis 1911 an der Technischen Hochschule Wien bei Karl König. Eines seiner wenigen überlieferten Werke ist die Evangelische Kreuzkirche in Wien 14, Cumberlandstraße 48, aus den Jahren 1930/31.