Harry-S.-Truman-Hof
Harry-S.-Truman-Hof
Rudolf-Zeller-Gasse 5-11, 1230 WienBaujahr: 1956-1963
Wohnungen: 485
Architekt: Karl Hauschka, Rudolf Sorgo, Maria Albrecht, Otmar Brunner, Wenko Bossew, Karl Molnar, August Kastner
Weitere Adressen
Taglieberstraße 12-14, 1230 Wien
Rudolf-Zeller-Gasse 10-18, 1230 Wien
Pölleritzergasse 6-8, 1230 Wien
Stenografengasse 2, 1230 Wien
Ruzickagasse 31-39, 1230 Wien
Wohnen in Wien
In den 1950er-Jahren ging es vor allem darum, Zerstörtes wieder aufzubauen und viele neue Wohnungen zu errichten. In den kommunalen Wohnbauten dieser Zeit finden sich die ersten Ansätze der sich später durchsetzenden Zeilenbauweise, die bis heute die großen Vorstadtsiedlungen prägt. Die Wohnbauten wurden größer, höher und waren verstärkt in Blockform gestaltet. Das Flachdach setzte sich durch. Alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern und WC ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.
Geschichte
Der 33 Stiegen umfassende Harry-S.-Truman-Hof wurde in den Jahren 1956 bis 1963 nahe dem heutigen Höpflerbad in Atzgersdorf errichtet. Die Gemeinde entstand schon früh als Gassengruppendorf und wurde 1938 in den Bezirk Liesing eingemeindet. Das ursprünglich durch Einfamilienhäuser und Villen sowie hügeliges Weideland charakterisierte Ortsbild wird heute zunehmend von Wohnhausanlagen und großzügig angelegten Grünflächen geprägt.
Die Architektur
Die insgesamt 492 Wohneinheiten umfassende Wohnsiedlung liegt zu beiden Seiten der Rudolf-Zeller-Gasse auf ehemaligem Acker- und Weideland. Die Anlage erstreckt sich über fünf Straßen und entstand in mehreren Bauetappen in den Jahren 1956 bis 1963 nach den Plänen der Architekten Karl Hauschka, Maria Albrecht, Wenko Bossew, Otmar Brunner, August Kastner, Karl Molnar und Rudolf Sorgo, die jeweils für einen eigenen Bauabschnitt verantwortlich waren. Die Bebauung der großflächigen Siedlung ist mit vier neungeschoßigen, sternförmigen Hochhäusern und 13 dreigeschoßigen, längs- und quergestellten Wohnblöcken sehr abwechslungsreich gestaltet. Charakteristisch für die Hochhäuser ist der zentrale Stiegenhauskern, der im Schnittpunkt der drei sternförmig nach Norden, Osten und Westen führenden Wohntrakte angelegt und im Vergleich zu diesen zurückgesetzt ist. Die klare Grundrissstruktur spiegelt sich auch in der Fassadengestaltung mit einer Balkonachse und zwei flankierenden Fensterachsen wider.Die vorwiegend an der gegenüberliegenden Straßenseite der Rudolf-Zeller-Gasse gelegenen Wohnblöcke folgen in ihrem Erscheinungsbild mit vertikal und horizontal klar gegliederten Fensterreihen sowie einer glatt verputzten Fassade dem Typus des kommunalen Wohnbaus der 1950er-Jahre. Akzente setzen die Balkone im zweiten und dritten Geschoß.Einzig das von Karl Hauschka entworfene Wohnhaus, das auf dem Grundrissplan ursprünglich als Wohnhaus für "alte Leute" bezeichnet wurde, nimmt eine Sonderstellung ein. Das im Vergleich zu den anderen Stiegen quer gestellte, längliche Wohnhaus besteht aus zwei Z-förmig versetzten Bauteilen und teilt die Siedlung in einen nördlichen und einen südlichen Teil. In der äußeren Gestaltung des Hauses spiegelt sich diese besondere Stellung ebenso wider: Die Fassade ist geprägt durch die querrechteckigen, mehrteiligen Fenster, hinter denen sich Laubengänge befinden, von denen aus die Wohnungen erschlossen werden. Auffallend ist auch das farbige Erscheinungsbild der Fassade: Eine cremefarbene Rahmung fasst die Fenster des ersten und zweiten Geschoßes ein, an der Südseite setzen Erker weitere Akzente.
... und die Kunst
In den Stiegenhäusern der sternförmigen Hochhäuser sind monumentale Glasfenster mit vegetativen Abstraktionen des österreichischen Malers und Grafikers Hans Staudacher aus dem Jahr 1961 angebracht.Im selben Jahr entstand auch die Skulptur eines Tigers aus Naturstein von Hubert Fiala auf der gegenüberliegenden Straßenseite in der Rudolf-Zeller-Gasse 16. Wenige Meter davon entfernt befindet sich eine weitere Natursteinplastik. Sie stammt von Fritz Tiefenthaler und stellt einen Diskuswerfer dar.Die keramischen Mosaike an den Schmalseiten des Häuserblocks in der Rudolf-Zeller-Gasse 10 wurden im Jahr 1960 geschaffen. Sie stammen vom Maler, Grafiker und Bühnenbildner Carry (eigentlich Carl Maria) Hauser und tragen den Titel "Die Künste".
Der Name
Die seit 1984 als Harry-S.-Truman-Hof bekannte Wohnhausanlage ist nach dem 33. amerikanischen Präsidenten Harry Spencer Truman (1884-1972) benannt. Mit der Truman-Doktrin (1947) begann die aktive Unterstützung der in ihrer Freiheit bedrohten freien Völker. Das kriegsgeschüttelte Österreich profitierte besonders von Trumans Sozialprogramm mit dem Titel "Fair Deal".Die Rudolf-Zeller-Gasse wurde nach dem Vizebürgermeister und Ehrenbürger von Mauer, Rudolf Zeller (1858-1918), benannt.Die angrenzende Taglieberstraße erhielt ihren Namen nach dem Gemeinderat von Atzgersdorf, Matthias Taglieber (1837-1931).Die ehemalige Feldgasse trägt seit 1954 den Namen Ruzickagasse nach Franz Eduard Ruzicka (1875-1950), jenem Bürgermeister von Mauer, der sich um den Bau des ehemaligen Flughafens in Mauer verdient gemacht hat.Die Pölleritzergasse wurde 1961 nach dem Atzgersdorfer Gemeinderat und Bezirksschulrat Johann Pölleritzer (1830-1898) benannt.
Architekten
Karl Hauschka - Karl Hauschka (1896-1981) studierte Architektur an der Akademie der bildenden Küste Wien bei Peter Behrens. Bei diversen Architekturwettbewerben gewann er mehrere Preise, jedoch sind kaum realisierte Werke bekannt. In den 1920er- und 1930er-Jahren entwarf er in Arbeitsgemeinschaft mit Viktor Mittag eine Reihe von Wohnhausanlagen des Roten Wien, darunter auch den Wildganshof in Wien 3, sowie in den 1960er-Jahren den Harry-S.-Truman-Hof in Wien 23 in Zusammenarbeit mit den Architekten Wenko Bossew, Otmar Brunner, Maria Albrecht, August Kastner, Karl Molnar und Rudolf Sorgo.
Rudolf Sorgo - Rudolf Sorgo (1916-1969) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Als selbständiger Architekt arbeitete er vorwiegend in größeren Gemeinschaften. Für die Gemeinde Wien war R. Sorgo unter anderem an den Entwürfen zu den Wohnhausanlagen Rudolf-Zeller-Gasse 5-11 in Wien 23 (1956-1963), Frömmlgasse 2-4 in Wien 21 (1960/61) und Arndtstraße 30-34 in Wien 12 (1969-1971) beteiligt.
Maria Albrecht - Maria Albrecht (geb. Weiße, 1921) studierte ab 1940 Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Als selbständige Architektin war Maria Albrecht vor allem im Wohnbau tätig, wobei sie für die Gemeinde Wien unter anderem an der Planung zum Harry-S.-Truman-Hof in Wien 23, Rudolf-Zeller-Gasse 5-11 (1956-1963) mitwirkte.
Otmar Brunner - Otmar Brunner (1918-1989) studierte ab 1945 bei Erich Boltenstern und Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste Wien. Für die Gemeinde Wien entwarf er das Wohnhaus Teschnergasse 20 in Wien 18 (1966/67) und war in einer größeren Arbeitsgemeinschaft an der Planung zum Harry-S.-Truman-Hof in Wien 23 (1956-1963) beteiligt.
Wenko Bossew - Der aus Bulgarien stammende Wenko Bossew (1914-1995) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Als selbständiger Architekt entwarf er unter anderem für die Gemeinde Wien die Wohnhausanlage Grüngasse 14 in 1050 Wien (1981-1984). In einer größeren Architektengemeinschaft entstanden in den Jahren 1966 bis 1967 die Gemeindebauten Krottenbachstraße 104 und 110. Bossew war auch an der Errichtung vom Harry-S.-Truman-Hof in Wien 23 (Rudolf-Zeller-Gasse 5-11, 1956-1963) beteiligt.
Karl Molnar - Karl Molnár (1901-1963) besuchte von 1919 bis 1925 die Wiener Kunstgewerbeschule bei Carl Witzmann, Josef Hoffmann, Josef Frank und Oskar Strnad. Er beschäftigte sich schon früh mit dem Wohnbau und der Möglichkeit des wachsenden Hauses (Erweiterung durch vorgefertigte Bauteile), wozu er in den 1930er-Jahren mehrere Artikel in Bauzeitschriften publizierte. Molnár war unter anderem an den Entwürfen zu der Wohnhausanlage Spittelbreitengasse 23 in Wien 12 (1954-1955) beteiligt.
August Kastner - August Kastner (1924-2002) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Nach dem Studium arbeitete er zunächst in verschiedenen Baubüros mit, wie etwa bei Rudolf Maculan, bevor er sich Mitte der 1950er-Jahre als Architekt selbständig machte. Neben mehreren Wohnbauten, entwarf er auch Gewerbebauten und Schulen, wie etwa eine Volksschule und Kindergarten in Perchtoldsdorf. Kastner war aber auch Bauleiter beim Wiederaufbau des Wiener Westbahnhofes nach 1945.