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Wohnsiedlung Weißenböckstraße

Fakten

Wohnsiedlung Weißenböckstraße

Weißenböckstraße 1-3, 1110 Wien

Baujahr: 1922-1928

Wohnungen: 56

Architekt: Franz Kaym, Alfons Hetmanek

Weitere Adressen

Weißenböckstraße 5-27, 1110 Wien

Wilhelm-Kreß-Platz 2-20, 1110 Wien

Reischekgasse 12-52, 1110 Wien

Reischekgasse 56-74, 1110 Wien

Reischekgasse 2-10, 1110 Wien

Petzoldgasse 1-19, 1110 Wien

Wohnen in Wien

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.

Geschichte

Die beiden Architekten Franz Kaym und Alfons Hetmanek traten in einer 1919 veröffentlichten Studie zur Wohnungsreform für das Einfamilienhaus mit eigener Gartenanlage als gesündeste und billigste Form des Wohnens ein. Ihre Vorstellungen der idealen Gartenstadt sollten vom Staat als Bauherrn durch die billige, serienmäßige Produktion genormter Reihenhäuser umgesetzt werden.

Ursprünglich sollten auf dem Brachland zwischen Weißenböckstraße-Petzoldgasse-Reischekgasse Siedlungshäuser für Beamte des Gaswerks bzw. für Straßenbahner entstehen, die allmählich in das Eigentum der Pächter übergehen hätten sollen. Da jedoch der ursprüngliche Bauträger absprang, sprang die Gemeinde Wien als neuer Bauherr ein. 1922/23 entstanden die ersten 71 Reihenhäuser mit angebautem Stall und Gartenfläche auf je rund 350 Quadratmetern, womit ein gewisser Grad an Selbstversorgung ermöglicht werden sollte. Die größeren Wohnhäuser entlang der Simmeringer Hauptstraße wurden erst im Zuge des zweiten Bauabschnitts 1927/28 errichtet. Obwohl diese nur ein Viertel der Grundfläche des ersten Abschnitts einnehmen, beherbergen sie 56 Wohneinheiten. Sie sind ohne Nutzgärten und Stallungen konzipiert und entsprechen dadurch eher dem Typus der reinen städtischen Wohnsiedlung.

Die Architektur

Während des ersten Bauabschnitts wurden entlang der Weißenböckstraße, der Petzoldgasse und der Reischekgasse kleine, schlichte Reihenhäuser errichtet. Die nicht unterkellerten Häuser wirken mit ihren weit heruntergezogenen Satteldächern sehr ländlich-idyllisch. Unterstützt wird dieser Eindruck auch durch die großzügigen Vorgärten. In den ausgebauten Mansardenräumen waren ursprünglich die Schlafräume vorgesehen. Im Laufe der Jahre wurden die einfachen Häuser zum Teil durch Anbauten erweitert und unterkellert, die ehemaligen Stallräume zu Wohnräumen umfunktioniert. Ein schlichter Maschendrahtzaun grenzt die Parzellen von der Straße ab und fasst gleichzeitig die Anlage zu einer Einheit zusammen.

1927/28 wurde die Anlage an der Simmeringer Hauptstraße um sieben Baublöcke erweitert. Dabei handelt es sich um zwei- bis dreigeschoßige, villenartige Mehrparteienhäuser, die zum Teil nach dem Prinzip des Vierlingstyps (pro Bauteil vier Wohnungen) konzipiert wurden. Davon ausgenommen sind der lange, entlang der parallel zur Simmeringer Hauptstraße angelegten "Dorfstraße" liegende Baublock, der wie ein Riegel dem alten Baubestand vorgelagert ist, sowie der schlichte Baublock an der Reischekgasse, der durch Ziermauern mit Durchgängen den alten und den neuen Siedlungsbereich verbindet. Acht dem Vierlingstyp entsprechende Häuser sind durch ebenerdige Bauten miteinander gekoppelt. Sie sind um eine Art "Marktplatz" gruppiert, der an einer Seite von dem langen Riegelbau begrenzt wird. Ihm gegenüber steht der einzige einzelne Vierlingsbau.

Zur Simmeringer Hauptstraße hin ergibt sich durch die "Villenbauten" ein repräsentatives, symmetrisches Bild, das durch turmartige Aufbauten, Terrassen und Dreiecksgiebeln abgerundet wird, die noch klassizistische Züge tragen. Die massiven Risalite mit kräftigen Gesimsen und Klinkerverkleidungen zeugen jedoch bereits von expressionistischen Einflüssen der kommunalen Architektur der 1920er-Jahre. Dazu zählen auch die Steinkugeln und Blumenschalen, die auf den Tor- und Zaunpfeilern lagern.

... und die Kunst

Im Zentrum der Anlage steht auf einer Art Marktplatz ein von Fritz Tiefenthaler gestalteter Zierbrunnen. Weiters schmücken zwei Steinfiguren auf den Terrassen zur Simmeringer Hauptstraße sowie verzierte Vasen auf den Pfeilern der beiden Nebentore die Anlage.

Der Name

Die Weißenböckstraße erinnert an den Hausbesitzer und Gastwirt Johann Weißenböck (1812-1871). Der Wohltäter der Gemeinde Simmering wohnte an der Adresse Kaiser-Ebersdorfer-Straße 72.

Architekten

Franz Kaym - Franz Kaym (1891-1949) begann nach einer abgeschlossenen Maurerlehre sein Architekturstudium bei Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste, das er 1913 abschloss. Nach dem Militärdienst im Ersten Weltkrieg eröffnete er 1920 mit seinem Studienkollegen Alfons Hetmanek ein Atelier. In der äußerst erfolgreichen Zusammenarbeit entstanden in den 1920er-Jahren zahlreiche Wohnanlagen nach dem Prinzip der Gartenstadt, wie etwa die Gemeindesiedlung Weißenböckstraße in Wien 11 oder die Siedlung Am Flötzersteig in Wien 14. Mangels Aufträgen wurde die Bürogemeinschaft 1935 aufgelöst. Als Mitglied der NSDAP und der SS verlor Franz Kaym 1945 vorübergehend seine Berufsbefugnis.

Alfons Hetmanek - Alfons Hetmanek (1890-1962) studierte in den Jahren 1912 bis 1915 bei Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete er mit seinem Studienkollegen Franz Kaym eine Ateliergemeinschaft, die bis 1935 bestand. Im Rahmen dieser erfolgreichen Zusammenarbeit wurden zahlreiche private und öffentliche Projekte realisiert, neben mehreren Wohnhausanlagen auch die Gartensiedlungen Weißenböckstraße (1922/23, Wien 11), "Am Flötzersteig" (1922-1931, Wien 14) und "Am Spiegelgrund" (1931-1934, Wien 16). Nach dem Zweiten Weltkrieg plante Alfons Hetmanek vor allem für den Wiederaufbau.