Troststraße 64-66
Troststraße 64-66
Troststraße 64-66, 1100 WienBaujahr: 1924-1926
Wohnungen: 121
Architekt: Klemens M. Kattner, Alexander Graf
Weitere Adressen
Herzgasse 93-95, 1100 Wien
Alxingergasse 88-90, 1100 Wien
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Die Architekten Graf und Kattner erhielten 1924 den Auftrag zur Planung eines Volkswohnhauses an der bis dahin nur locker verbauten Troststraße. Diese gerade verlaufende Straße bildete eine wichtige West-Ost-Achse im Bezirk Favoriten. Der dreiflügelige repräsentative Bau entsprach der in der Zwischenkriegszeit maßgeblichen Idee vom Wohnpalast ("Superblock") für die arbeitende Bevölkerung. Alexander Graf, der auch am Bau der Wiener Volksoper maßgeblich beteiligt war, hat hier eine ähnliche Formensprache verwendet.
Die Architektur
Der repräsentativ wirkende Gebäudekomplex besticht durch einen reizvollen Stilmix aus Späthistorismus und Heimatstil. Das Volkswohnheim entstand 1924 bis 1926 auf unverbautem Terrain in unmittelbarer Nachbarschaft zu Schrebergärten. Der dreiflügelige, mächtig wirkende Wohnblock ist um einen weiten Hof angelegt und wird durch ein monumentales Rundbogenportal zur Straße hin geschlossen. An der symmetrisch gestalteten Fassade bestimmt ein Drei-Zonen-Konzept, markiert durch horizontal verlaufende Gesimse, den Außenbau: Über einer aus zwei Geschoßen gebildeten Sockelzone erhebt sich der drei Geschoße umfassende Mittelteil, darüber die Dachzone, gebildet aus Mansardhäuschen, geschwungenen Giebelaufbauten und glockenförmigen Dachhauben. Die Mittelzone wird geprägt von polygonalen Eckerkern, rundbogig vortretenden Balkonen, Halbloggien und geometrischen Dekorfeldern. Damit knüpft der Architekt an die repräsentative Funktion der Beletage der Bürgerhäuser aus der Gründerzeit an.Die Einfahrt ist zeittypisch mit einem kassettierten Tonnengewölbe gestaltet. Hier befand sich der Eingang zur Wohnung des Hausmeisters, durch einen Dreiecksgiebel oberhalb der Türe kenntlich gemacht. Hofseitig sind die Fassaden einfacher, hier sind Eingänge und Treppenhäuser in die Gebäudeecken platziert. Handwerklich qualitätvolle Details, wie Blumengitter oder die Wandleuchten am Portal, unterstreichen die Idee vom Wohnpalast der 1920er-Jahre.
... und die Kunst
Bauzeitliche schmiedeeiserne Torgitter am Eingangstor. Über dem Portal befindet sich eine zeittypische Steinskulptur von Hans Müller. Sie zeigt einen stehenden Knaben mit Blumengirlanden.
Der Name
Die Troststraße wurde 1894 nach dem Fleischhauer und Hausbesitzer Martin Trost (1831 - 1893) benannt. Der gebürtige Bayer gehörte der Liberalen Partei an und war einer der ersten Wiener Gemeinderäte aus Favoriten (1875 - 1883). Trost war auch Vorsitzender des Favoritner Ortsschulrates.
Architekten
Klemens M. Kattner - Clemens M. Kattner (1871-1945) studierte in Wien an der Akademie der bildenden Künste bei Friedrich Schmidt und Viktor Luntz. Sein Tätigkeitsschwerpunkt lag vor allem im Kirchenbau. Für die Gemeinde Wien errichtete er die drei Wohnhausanlagen Troststraße 64-66 in Wien 10, Cervantesgasse 3 in Wien 14 und Malfattigasse 39 in Wien 12.
Alexander Graf - Alexander Graf (1856 - 1931) studierte von 1873 bis 1881 an der Technischen Universität Wien. Nach dem Studium war er acht Jahre lang im Atelier Fellner & Helmer tätig, wo er sich mit der Ausführung von Theaterbauten befasste. Als selbständiger Architekt ab 1888 errichtete er vor allem Wohnhäuser. Sein bedeutendstes Bauwerk ist die heute allerdings stark veränderte Volksoper in Wien 9 (1898, zusammen mit Franz Krauß). Diese Ausführung bescherte ihm auch die Aufträge zur Errichtung der Stadttheater in Ljubljana/Slowenien und Znojmo/Tschechien. Nach dem Ersten Weltkrieg blieben die großen Aufträge aus. Für die Gemeinde Wien realisierte er in den 1920er-Jahren drei Wohnhausanlagen.