Kudlichgasse 26-28
Kudlichgasse 26-28
Kudlichgasse 26-28, 1100 WienBaujahr: 1930-1930
Wohnungen: 32
Architekt: Florian Prantl
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Während der Februarkämpfe 1934 kam es am 13. Februar, insbesondere bei den Gemeindebauten in der Kudlichgasse und in der Bürgergasse, immer wieder zu kleineren Schießereien, bei denen von Seiten der Polizei manche Verluste beklagt wurden. Auch während des Zweiten Weltkrieges blieb die Kudlichgasse von Bombentreffern nicht verschont. Auf Höhe 18 - 26 und 28 gingen Bomben nieder, die den Gemeindebau teilweise komplett zerstörten. In den 1950er-Jahren wurden die Kriegsschäden behoben und vier neue Wohnungen bei Stiege 1 und 2 errichtet.
Die Architektur
Die breite, symmetrisch konzipierte Baulückenschließung wurde entlang der Kudlichgasse mit einem großen Innenhof gegen die angrenzenden Nachbarhäuser in der Puchsbaumgasse und Steudelgasse errichtet. Der überhöhte Mittelteil des fünfgeschoßigen Wohnhauses ist oberhalb der Erdgeschoßzone zurückversetzt und wurde völlig flach gestaltet. Die leicht hervortretenden Seitenfronten hingegen werden durch wuchtige Gesimsbänder, jeweils drei Fensteröffnungen nach oben und unten begrenzend, akzentuiert, wodurch der Eindruck einer kubischen Schichtung der Baumassen verstärkt wird. Der horizontalen Gliederung wird hier mehr Aufmerksamkeit geschenkt, klar getrennt werden Erdgeschoßzone und die oberen Hauptgeschoße durch ein auskragendes Gesimsband. Selbst der mittig platzierte Hauseingang und die angrenzenden zwei Fensteröffnungen an beiden Seiten werden dergleichen bekrönt. Die Liebe zum Detail zeigt sich, ganz im Sinne einer kubischen Schichtung, auch in der klinkerverzierten Umrahmung des Gitterportals, wenngleich auch im kleinen Format. Über den geräumigen Innenhof - von 1.272 m² Baugrund wurden lediglich 33 Prozent verbaut - werden die zwei Stiegenhäuser aufgeschlossen. Mittig zentriert in der parkähnlichen Anlage ist ein Spielplatz, an den jeweils seitlich zwei Sandspielplätze, ein Coloniakübelabstellplatz und ein Ort zum Teppichklopfen angrenzen. 1983 wurden an die Hoffassaden Aufzugsschächte gestellt, sodass der ursprüngliche Eindruck der Front nicht mehr gegeben ist.
Der Name
Die Kudlichgasse, benannt nach dem Reichtagsabgeordneten Hans Kudlich (1823 - 1917), existiert seit 1872. Kudlich entstammte einer wohlhabenden Bauernfamilie und studierte Philosophie und Rechtswissenschaften in Wien. Während des Oktoberaufstands 1848 versuchte er eine bäuerliche Volkserhebung gegen Feldmarschall Windischgrätz zu organisieren und leitete die endgültige Bauernbefreiung ein. Nach der Auflösung des Reichrats floh er nach Deutschland und studierte ein Jahr später in Zürich (Dr. med. 1853). Aus der Schweiz ausgewiesen, emigrierte Kudlich in die USA, wo er als Arzt praktizierte und sich gegen Sklaverei einsetzte. 1854 wurde er wegen seiner Rolle im Oktoberaufstand in Abwesenheit zum Tode verurteilt.
Architekten
Florian Prantl - Der Baumeister Florian Prantl (1887-1945) studierte ab 1913 Architektur bei Peter Behrens an der Akademie der bildenden Künste Wien. Nach seinen Plänen wurde unter anderem das kommunale Wohnhaus Kudlichgasse 26-28 in Wien 10 (1930) errichtet.