Hofherrgasse 5-13
Hofherrgasse 5-13
Hofherrgasse 5-13, 1100 WienBaujahr: 1952-1954
Wohnungen: 157
Architekt: Josef Baudys, Bruno Buzek, Otto Schönthal
Weitere Adressen
Erlachgasse 11, 1100 Wien
Randhartingergasse 8-10, 1100 Wien
Wohnen in Wien
Ab 1949 war der Wohnbau zahlenmäßig wieder auf dem Niveau des "Roten Wien" der Zwischenkriegszeit. Doch noch war die Bevölkerung verarmt und oft obdachlos. Kleine Duplex-Wohnungen, die später zusammengelegt werden konnten, linderten schließlich die Wohnungsnot. 1951 wurde Franz Jonas, Sohn einer Arbeiterfamilie, Bürgermeister von Wien. In seine Amtszeit fiel die rege Bautätigkeit im Rahmen des Projektes "Sozialer Städtebau" ab 1952. Das 8-Punkte-Programm hatte die Trennung von Wohn- und Gewerbebereichen, eine Auflockerung der Wohnbereiche sowie die Assanierung einzelner Viertel zum Ziel. Die standardmäßige Ausstattung der Wohnungen wurde verbessert - alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.
Geschichte
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Favoriten noch weitgehend unverbaut. Die städtebauliche Entwicklung begann hier erst mit der Errichtung des Arsenals (1849 - 1856), des Südbahnhofes (1867 - 1870) und der Bautätigkeit an der Ringstraße, wodurch die in Favoriten ansässigen Ziegelfabriken großen Aufschwung erhielten. Die günstige Verkehrsanbindung durch den neuen Südbahnhof hatte zudem die Ansiedlung zahlreicher Betriebe zur Folge. Um Wohnraum für die zugezogenen Arbeiter zu schaffen, wurde das Gebiet bis zur Quellenstraße nach einem Rasterplan mit meist viergeschoßigen Zinshausblöcken verbaut. Nach dem Börsenkrach 1873 stagnierte allerdings die Bautätigkeit. Ab 1890 kam es durch die Ansiedlung von mittelgroßen Fabriken entlang der Quellenstraße, wie etwa der nahe liegenden Ankerbrot-Fabrik (1892), zu einem neuerlichen Wachstum. Die noch bestehenden Baulücken wurden in der Zwischenkriegszeit und nach 1945 mit Gemeindewohnhäusern geschlossen.
Die Architektur
Die Wohnhausanlage besteht aus einem langen Baukörper in der Hofherrgasse, der um die Ecke in die Erlachgasse reicht, und einer Baulückenverbauung in der Randhartingergasse. In der Hofherrgasse gliedert sich das von Otto Schönthal und Josef Baudys entworfene Wohnhaus in zwei sechs Geschoße umfassende Seitenrisalite, die an der Baulinie der Straße liegen, und einen etwas zurückgesetzten, sieben Geschoße umfassenden Mittelteil. Ein simples Gesims trennt die dunkler gestaltete Sockelzone von der glatten Front der Obergeschoße ab. Die Fassaden der Seitenflügel werden durch Achsen unterschiedlich großer Fenster strukturiert. Sie sind zum Teil in Paaren angeordnet und sind mit einfachen Rahmungen versehen. Über dem weit vorkragenden Dachgesims ragen zwei Aufbauten auf. Aufgrund des abfallenden Geländeniveaus gibt es in der Erlachgasse eine markante Abstufung in der Bauhöhe, die auch im Sockelgesims nachvollzogen wird. Der zurückliegende Bauteil erfährt durch drei Balkonachsen eine symmetrische Gliederung, die sich auf den mittig gelegenen Durchgang zum Innenhof konzentriert. Balkone lockern die einfachen Hofseiten etwas auf, an denen die Glastürme der nachträglich installierten Aufzüge dominieren. Auch der von Bruno Buzek geplante Bauteil an der Randhartingergasse wurde zum Hof hin nachträglich mit Aufzügen ausgestattet. Die Straßenfront wird durch zehn Achsen gleichförmiger Fensterachsen strukturiert. Die Fenster sind mittels vertiefter Rahmungen in die glatte Putzfassade eingesetzt. Der mittig gelegene, vierachsige Dachausbau sorgt für eine symmetrische Zentrierung des Fassadenaufbaus, die allerdings durch den seitlich gelegenen Eingang gebrochen wird.
... und die Kunst
Die Portalumrahmung mit figuralen Darstellungen in Mosaik stammt von Wolfgang Schönthal (1953). Georg Ehrlich gestaltete das Steinzeugwandrelief an der Ecke zur Erlachgasse. Es zeigt eine "Ziege mit Zicklein" (1952/53).
Der Name
Der ursprünglich als Reisingergasse bezeichnete Straßenzug wurde 1909 nach Matthias Hofherr (1829 - 1909) benannt. Hofherr zählt zu den bedeutendsten Industriellen der Gründerzeit in Wien. In der Erlachgasse in Wien 10 besaß er etwa einen Großbetrieb zur Erzeugung landwirtschaftlicher Maschinen, der zu den größten Unternehmungen Österreich-Ungarns zählte.
Architekten
Josef Baudys - Josef Baudys (1900-1979) studierte Architektur ab 1943 bei Alexander Popp an der Akademie der bildenden Künste Wien. Vorwiegend in Gemeinschaft mit anderen Architekten war er an der Errichtung mehrerer prominenter Wohnhäuser der 1950er-Jahre beteiligt. So entwarf er etwa mit Otto Schönthal die Wohnhausanlage Hofherrgasse 5-13 in Wien 10 (1952/53) und zusammen mit Hans Paar und Rudolf Münch den Eduard-Leisching-Hof in Wien 5 (Johannagasse 29-35, 1954/55).
Bruno Buzek - Bruno Buzek (1911-1983) besuchte zunächst die Wiener Kunstgewerbeschule bei Josef Hoffmann, bevor er von 1932 bis 1935 an der Akademie der bildenden Künste bei Clemens Holzmeister studierte, dessen Assistent er später auch wurde. In der Zwischenkriegszeit war er in verschiedenen deutschen Städten tätig, wie etwa Berlin und Freiburg im Breisgau, wo er vorwiegend Villen und Wohnhausanlagen realisierte. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg kam er nach Österreich zurück und arbeitete hier in Arbeitsgemeinschaften für den NS-Rüstungsbetrieb (Ausbau der Böhler-Werke in Waidhofen a. d. Ybbs; Kapsch-Werk in Wien 10). Nach 1945 war Buzek vor allem in Wohnbau tätig und richtete mehrere Café-Häuser im Zeitstil der 1950er-Jahre ein (z. B. Café Europa am Graben, Wien 1).
Otto Schönthal - Otto Schönthal (1878-1961) studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Otto Wagner. Bereits während seines Studiums entwarf er den Mozartbrunnen (gemeinsam mit Carl Wolleck) am Mozartplatz in Wien 4. Eines seiner prominentesten Bauwerke ist die Trabrennanlage Krieau im Wiener Prater. Von 1908 bis zu seiner Emigration nach Jugoslawien 1938 arbeitete Schönthal mit seinem Studienkollegen Emil Hoppe in einer Bürogemeinschaft. Nach Kriegsende kehrte Schönthal nach Wien zurück und beteiligte sich am Wiederaufbau. Von Otto Schönthal stammen u. a. die Wohnhausanlagen "Westermannhäuser" in der Dorotheergasse (zusammen mit Emil Hoppe und Marcel Kammerer) und "Sandleiten" im 16. Bezirk sowie der "Zürcherhof" in der Laxenburger Straße und den "Strindberg-Hof" in der Rinnböckstraße, die er beide gemeinsam mit Emil Hoppe kreierte.