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Anna-Boschek-Hof

Fakten

Anna-Boschek-Hof

Davidgasse 76-80, 1100 Wien

Baujahr: 1953-1956

Wohnungen: 419

Architekt: Josef (Jaroslav) Bayer, Fritz Slama, Harald Bauer, Siegfried Mörth, Ferdinand Riedl, Rudolf Karl Peschel

Weitere Adressen

Belgradplatz 6-8, 1100 Wien

Gußriegelstraße 5-13, 1100 Wien

Buchengasse 147-151, 1100 Wien

Rotenhofgasse 86-88, 1100 Wien

Malborghetgasse 6-12, 1100 Wien

Rotenhofgasse 83-87, 1100 Wien

Wohnen in Wien

Ab 1949 war der Wohnbau zahlenmäßig wieder auf dem Niveau des "Roten Wien" der Zwischenkriegszeit. Doch noch war die Bevölkerung verarmt und oft obdachlos. Kleine Duplex-Wohnungen, die später zusammengelegt werden konnten, linderten schließlich die Wohnungsnot. 1951 wurde Franz Jonas, Sohn einer Arbeiterfamilie, Bürgermeister von Wien. In seine Amtszeit fiel die rege Bautätigkeit im Rahmen des Projektes "Sozialer Städtebau" ab 1952. Das 8-Punkte-Programm hatte die Trennung von Wohn- und Gewerbebereichen, eine Auflockerung der Wohnbereiche sowie die Assanierung einzelner Viertel zum Ziel. Die standardmäßige Ausstattung der Wohnungen wurde verbessert - alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.

Geschichte

Das Gebiet südlich des Matzleinsdorfer Platzes war vor der Stadterweiterung Jagd- und Erholungsgebiet der Wiener, in dem ein von Kaiser Karl VI. erbautes kleines Jagdschloss, der Rote Hof, lag. Das zum Wienerberg hin ansteigende, weitgehend unverbaute Gelände wurde bis 1945 von der großen Fabriksanlage der Firma Heller dominiert. Nördlich dieser Fabrik lag die so genannte Hellerwiese, deren Reste den heutigen Baranka-Park auf dem Belgradplatz bilden. Dieses Areal war der Lagerplatz zahlreicher Roma- und Sinti-Familien. Nahezu alle diese Menschen fielen zwischen 1941 und 1945 der Naziherrschaft zum Opfer. Nach 1950 wurden die Flächen rund um den Park mit großen kommunalen Wohnbauten verbaut.

Die Architektur

Die große Wohnhausanlage wurde als Neubau auf einer bis dahin unverbauten Ackerfläche errichtet. Sie besteht aus zwei Gebäudekomplexen, liegt auf zwei durch die Rotenhofgasse getrennten rechteckigen Grundstücken und wird in Nord-Süd-Richtung jeweils von der Gußriegelstraße und der Malborghetgasse begrenzt. Die Stiegen 1-10 sind in zwei hakenförmigen Gebäuden in offener Blockrandverbauung westlich des Belgradplatzes untergebracht, die Stiegen 11-20 wurden auf drei Gebäude verteilt, von denen eines über hakenförmiger Grundfläche an der Gußriegelstraße, die beiden anderen als Riegelbauten ausgeführt worden sind. Beide auf leicht ansteigendem Terrain errichteten Anlagen umschließen einen begrünten Innenhof mit Spielplätzen und Ruhezonen. Zwischen den Blöcken öffnen breite Durchlässe den Weg zum Innenhof, in dem die Zugänge zu den Häusern liegen.
Die Wohnhäuser sind sechsgeschoßig mit flachen Walmdächern und zeittypisch kubischen Mansardenausbauten. An den einfachen Fassaden mit regelmäßiger Fensteraufteilung schaffen schmale, nur flach vorspringende Risalite eine sparsame vertikale Gliederung. Süd- und hofseitig sind kleine kubische Balkone an die Fassade gesetzt. Die turmartigen Trakte für die Personenaufzüge an den einzelnen Stiegen wurden hof- bzw. straßenseitig im Nachhinein angebaut. Im parkartig gestalteten Innenhof überwinden Treppen aus Naturstein den Niveauunterschied. Chrarakteristisch für die großen Wohnbauten, die während der 1950er-Jahre entstanden, ist das Anbringen von künstlerisch gestalteten Dekorationen an den Hausecken. So findet sich an der Stirnseite des Gebäudes Gußriegelstraße/Davidgasse ein großes Wandbild. Die Ecke Rotenhofgasse/Gußriegelstraße ist durch einen künstlerisch gestalteten Mosaikpfeiler inmitten eines Vorgartens markiert.

... und die Kunst

An der Schmalseite der Stiege 1 schmückt ein großes Wandbild das Gebäude. Das Mosaik von Reinhold Hauck zeigt eine überdimensionale Sonne und entstand zwischen 1956 und 1958.

An der Ecke Gußriegelstraße/Rotenhofgasse fand ein nahezu 6 m hoher, einem Obelisken ähnlicher Pfeiler mit Mosaikbelag Aufstellung. Die Tierdarstellungen aus dem Jahr 1956 sind eine Arbeit des Künstlers Herbert Potuznik, der zahlreiche Auftragswerke für die Stadt Wien ausgeführt hat.

Der Name

2009 wurde die Wohnhausanlage nach der Politikerin Anna Boschek (1874-1957) benannt. Anna Boschek trat 1891 der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei und war bereits 1893 eine der drei weiblichen Delegierten am ersten österreichischen Gewerkschaftskongress, wo sie die Aufnahmebeschränkungen für Frauen in den Gewerkschaften zu Fall brachte. 1919 war sie eine von sieben Frauen, die in den Nationalrat gewählt wurde, wo sie in den folgenden Jahren bis 1934 maßgeblich Anteil an der sozialpolitischen Gesetzgebung hatte.

Architekten

Josef (Jaroslav) Bayer - Josef (Jaroslav) Bayer (1889-1979) studierte an der Kunstakademie in Sofia, anschließend in Wien an der Technischen Hochschule und an der Akademie der bildenden Künste, wo er 1915 seinen Abschluss machte. Vom Werk Bayers sind heute nur wenige Gebäude bekannt, die aber allesamt für die Gemeinde Wien enstanden; unter anderem die Wohnhausanlagen Sechsschimmelgasse 19 (Wien 9, 1925; gemeinsam mit Hartwig Fischel), Petzvalgasse 3 (Wien 4, 1928/29) und Paletzgasse 17 (Wien 6, 1930).

Fritz Slama - Fritz Slama (geb. 1908 in Brünn/Tschechien; verst. 1981 in Neulengbach/NÖ) war für die Gemeinde Wien vorwiegend in Arbeitsgemeinschaften an der Realisierung mehrerer großer Wohnhausanlagen beteiligt, wie etwa der Wohnhäuser Gerlgasse 14 in Wien 3 (1952/53) und Dommesgasse 1-7 in Wien 11 (1956/57).

Harald Bauer - Harald Bauer (1901-1990) sammelte zunächst Baupraxis im Büro seines Vaters Leopold Bauer, bevor er von 1926 bis 1928 an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Clemens Holzmeister studierte. Nach seinem Studium ging er nach Opava (Mährisch-Troppau), wo er bis 1938 als freischaffender Architekt tätig war. Während des Zweiten Weltkrieges wurden mehrere Industrie- und Militäranlagen nach seinen Entwürfen ausgeführt. Ab 1946 war Bauer als Architekt in Österreich ansässig. Neben mehreren Wohnbauten, die er vorwiegend in Arbeitsgemeinschaften ausführte, plante er auch mehrere Kraftwerksbauten für die Donaukraftwerke A.G., wie etwa das Kraftwerk Wallsee-Mitterkirchen (mit Helmut Hitzginger).

Siegfried Mörth - Siegfried Mörth (1904-1990) studierte an der Technischen Hochschule Wien. Er war zunächst in den Baubüros von Robert Oerley und Hubert Gessner beschäftigt, bevor er sich 1929 als Architekt selbständig machte. Bereits unter dem Regime der Nationalsozialisten errichtete er mehrere Siedlungs- und Wohnbauten in Wien und in Linz. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwarf er einige Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien sowie Bürohäuser und zahlreiche Restaurants in Wien und Umgebung.

Ferdinand Riedl - Ferdinand Riedl (geb. 1920) studierte zunächst von 1939 bis 1941 an der Technischen Hochschule Wien und von 1941 bis 1944 an der Akademie der bildenden Künste Dresden. Von 1945 bis 1998 führte er ein eigenes Architekturbüro in Wien und von 1969 bis 1990 zudem in München. Zahlreiche Wohn- und Gewerbebauten wurden weltweit nach Ferdinand Riedls Plänen ausgeführt, darunter auch ein 16-stöckiges Hotel in Oslo/Norwegen und ein 1.000-Betten-Krankenhaus in Caracas/Venezuela. In Deutschland plante er etwa für die Olympiade 1972 ein Wohnhaus mit Einkaufszentrum und ein Ärztehochhaus mit Wohnungen, in Karlsruhe konnte Ferdinand Riedl das Hotel Hilton realisieren. Unter seinen zahlreichen Bauwerken in Wien befindet sich auch das Generali-Center in Wien 6, Mariahilfer Straße 77-79 (mit Hannes Lintl). Besondere Verdienste erlangte er auch als Musikwissenschafter; so war er 1966 Gründungsmitglied des Vereins der Freunde der Wiener Staatsoper. 2005 wurde Ferdinand Riedl das Goldene Ehrenzeichen 1. Klasse der Republik Österreich verliehen.

Rudolf Karl Peschel - Rudolf Karl Peschel (21.12.1876, Wien - 9.9.1962, Pressbaum) studierte Maschinenbau und Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Wien und besuchte die Bautechnische Abteilung an der Höheren Gewerbeschule. Nur zwei Bauten sind von ihm dokumentiert - das Mietshaus Wohllebengasse 16 im 4. Bezirk von 1912 und die Wohnhausanlage der Gemeinde Wien in der Wolfganggasse 54 aus den Jahren 1930-1931.