Rosa-Jochmann-Hof
Rosa-Jochmann-Hof
Simmeringer Hauptstraße 142-150, 1110 WienBaujahr: 1931-1932
Wohnungen: 276
Architekt: Oskar Wlach, Josef Frank
Weitere Adressen
Pleischlgasse 9-17, 1110 Wien
Fickeysstraße 8, 1110 Wien
Strachegasse 3-7, 1110 Wien
Wohnen in Wien
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Sozialdemokratie bestimmende Kraft im Wiener Rathaus. 1922 wurde Wien ein selbstständiges Bundesland. Damit war auch der Grundstein für das "Rote Wien" gelegt. Neben Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen wurde 1923 ein umfangreiches Bauprogramm gestartet, um für die Bevölkerung menschenwürdige Wohnungen zu schaffen - hell, trocken, mit Wasserleitung und WC ausgestattet, waren sie ein krasser Gegensatz zu den Bassena-Wohnungen in den Mietskasernen. Wesentlicher Teil der Anlagen waren Gemeinschaftseinrichtungen wie Bäder, Kindergärten, Waschküchen, Mütterberatungsstellen, Ambulatorien, Tuberkulosestellen, Turnhallen, Bibliotheken etc. Die Stadt Wien errichtete in der Zwischenkriegszeit 63.000 Wohnungen.
Geschichte
Die Wohnhausanlage wurde in der Nähe des ursprünglichen Ortskerns von Simmering im Bereich der Kobelgasse und der Laurenzkirche errichtet. Dieser Teil Simmerings war damals noch nicht durchgängig bebaut. Um 1930 standen hier einige Häuser aus dem 19. Jahrhundert. Im Bereich Hasenleitengasse/Albin-Hirsch-Platz befand sich ein Barackenlazarett, das im Ersten Weltkrieg als Notspital für die Verwundeten diente. Mit der Wohnhausanlage wurde dieses Gebiet städtebaulich erschlossen. Gemäß den Planungen der Architekten sollte der Wohnkomplex von der Simmeringer Hauptstraße bis zur Hasenleitengasse reichen und in Höhe der Strachegasse in Richtung Hauptstraße verlaufen. Die Ausführung folgte allerdings einem reduzierten Projekt. Im Jahr 1939 wurden Aufstockungen durchgeführt.
Die Architektur
Die Großwohnanlage besteht aus vier- bis fünfgeschoßigen Wohnblöcken, die als Randbebauung ein unregelmäßiges Grundstück umgeben. Dadurch entsteht ein großzügiger Hof, in den ein Wohnblock hineinragt. Durch die Anordnung der Wohnbauten ergeben sich an den Straßen lang gestreckte Fassaden. Auffallend ist die einfache Gestaltung der Wohnhausanlage. Sie wirkt ungeachtet ihrer Größe und der langen Straßenfronten nicht monumental oder monoton. Die Fassade an der Simmeringer Hauptstraße ist durch rhythmisch angeordnete Erker unterteilt. Neben dem Hoftor lockern Geschäfte die Erdgeschoßzone auf. Die Wohnblöcke an der Pleischlgasse dagegen werden durch turmartige Stiegenhäuser belebt. An der einen Gebäudeecke durchbrechen Loggien die Baukörper, an der anderen ist der Bau zurückgestuft. Die Gestaltung der Hofseiten ist auf schlichte Gitterbalkone und farblich gefasste Fensterumrahmungen reduziert. Die klare Gliederung und die zurückhaltenden Details der Anlage sind Vorläufer der Wohnbauarchitektur nach 1945.
... und die Kunst
Die Farbgebung der Fassaden spielt bei der Wohnhausanlage eine besondere Rolle. Die einzelnen Wohnblöcke sind farblich akzentuiert und gegeneinander abgesetzt. Dadurch entsteht der Eindruck unterschiedlicher und individueller Wohnbauten.
Der Name
Rosa Jochmann, (19.7.1901 bis 28.1.1994) war eine österreichische Widerstandskämpferin und sozialdemokratische Politikerin. Ab 1920 engagierte sich die Wienerin als Betriebsrätin und in der Gewerkschaft und war ab 1932 Zentralsekretärin der Sozialistischen Frauen Österreichs. Nach mehrmaligen Verhaftungen wurde sie unter den Nationalsozialisten 1940 ins KZ Ravensbrück deportiert, in dem sie nach der Befreiung 1945 durch die sowjetischen Truppen freiwillig weiter die Kranken betreute. Nach ihrer Rückkehr nach Wien nahm sie ihre politische Tätigkeit in der SPÖ wieder auf und war bis zu ihrem Rückzug aus der Politik 1967 Repräsentantin im Parteivorstand. Ihr Leben lang mahnte sie vor Antisemitismus und Rechtsextremismus, hielt Vorträge und gab ihre Erlebnisse als Zeitzeugin auch in Schulen weiter. Einen letzten großen Auftritt hatte sie 1993 beim Lichtermeer, der größten Demonstration der zweiten Republik, wo sie als Rednerin vor Rechtsextremismus warnte.
Architekten
Oskar Wlach - Oskar Wlach (1881-1963) studierte zunächst an der Technischen Hochschule Wien, an der er 1906 promovierte. Von 1906 bis 1907 war er an der Akademie der bildenden Künste Wien inskribiert, wo er die Meisterschule von Friedrich Ohmann besuchte. Als selbständiger Architekt ab 1907 arbeitete Wlach überwiegend mit Oskar Strnad und ab 1913 auch mit Josef Frank zusammen. Die Häuser Wildbrandgasse 3 und 11 in Wien 19 (beide mit Josef Frank und Oskar Strnad, um 1914) gehören zu den beeindruckendsten Zeugnissen der modernen Architektur in Wien vor dem Ersten Weltkrieg. In der Zwischenkriegszeit war er an der Realisierung mehrerer Wohnbauten für die Gemeinde Wien beteiligt, bevor er 1939 in die USA emigrierte.
Josef Frank - Josef Frank (1885-1967) studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Seine Villen-Bauten der 1920er- und 1930er-Jahre gehören zu den bedeutendsten Werken der Moderne in Wien (z. B. Haus Beer, mit Oskar Wlach, 1929/30). Für die Gemeinde Wien errichtete er alleine und gemeinsam mit seinen langjährigen Partnern Oskar Wlach und Oskar Strnad mehrere Wohnhausanlagen. Die berühmte Werkbundsiedlung im 13. Bezirk wurde als Bauausstellung für ein neues, soziales Wohnen von ihm konzipiert (ab 1930). Frank emigrierte 1934 nach Schweden, wo er zum wichtigsten Wegbereiter des modernen Designs wurde.