Migazziplatz 8-9
Migazziplatz 8-9
Migazziplatz 8-9, 1120 WienBaujahr: 1953-1954
Wohnungen: 119
Architekt: Viktor Fenzl, Gustav Hoppe
Weitere Adressen
Niederhofstraße 10-12, 1120 Wien
Mandlgasse 9-15, 1120 Wien
Wohnen in Wien
Ab 1949 war der Wohnbau zahlenmäßig wieder auf dem Niveau des "Roten Wien" der Zwischenkriegszeit. Doch noch war die Bevölkerung verarmt und oft obdachlos. Kleine Duplex-Wohnungen, die später zusammengelegt werden konnten, linderten schließlich die Wohnungsnot. 1951 wurde Franz Jonas, Sohn einer Arbeiterfamilie, Bürgermeister von Wien. In seine Amtszeit fiel die rege Bautätigkeit im Rahmen des Projektes "Sozialer Städtebau" ab 1952. Das 8-Punkte-Programm hatte die Trennung von Wohn- und Gewerbebereichen, eine Auflockerung der Wohnbereiche sowie die Assanierung einzelner Viertel zum Ziel. Die standardmäßige Ausstattung der Wohnungen wurde verbessert - alle neu gebauten Wohnungen waren mit Badezimmern ausgestattet und die Mindestgröße wurde von 42 auf 55 Quadratmeter angehoben.
Geschichte
Kaiser Karl VI. hatte 1732 am Platz eine Kapelle gestiftet, die dem Heiligen Nepomuk geweiht wurde. Sie wurde zur Pfarre von Meidling erhoben, als Graf Christoph Anton Migazzi Erzbischof von Wien war. In der Folge wurde der Platz nach ihm benannt. Die Kapelle wurde bald zu klein für die rasch wachsende Bevölkerung. 1842 bis 1845 wurde daher nach Plänen von Karl Rösner auf dem Platz eine Kirche errichtet, die als erste in Wien im frühromantischen Stil ausgeführt war. Der Gemeindebau liegt westlich der Kirche und erstreckt sich mit dem rückseitigen Gebäude in der Mandlgasse entlang des Hermann-Leopoldi-Parks. Dort befand sich seit 1819 eine Heilquelle, die Josef Pfann, der Besitzer des Grundes, beim Schlagen eines Brunnens erbohrt hatte. Das Stift Klosterneuburg erlaubte als Grundherrschaft gegen hohe Steuerleistung die Errichtung einer Kuranstalt in der Mandlgasse. Auch ein Badehaus und ein Schwimmbad wurden errichtet und florierten als Pfann’sches Bad bis 1896, als der damalige Besitzer den Betrieb einstellte. Nur die Medizinalbäder blieben erhalten, die aber nach dem Krieg auch schließen mussten. Schließlich wurde die über 6000 Quadratmeter große Fläche in den 1980er-Jahren zu einem Erholungspark umgewidmet, der nach dem Volkssänger Hermann Leopoldi benannt wurde. An der Stelle des heutigen Gemeindebaus befand sich noch in den 1930er-Jahren eine Volksschule, die aber durch Kriegseinwirkung zerstört wurde.
Die Architektur
Die verwinkelte Anlage ist zwischen Migazziplatz im Osten und Hermann-Leopoldi-Park im Westen angelegt. Die fünfgeschoßigen Blöcke unterschiedlicher Länge haben abschnittsweise zwei- bis dreiachsig ausgebaute Dachgeschoße. Die Außenfassaden sind durch einfache Fensterachsen gegliedert, alle Fenster des Erdgeschoßes sind durch profilierte, erhöhte, helle Steinrahmen hervorgehoben. An der Südseite der Fassade auf die Niederhofstraße zu sind zwei verdoppelte Balkonachsen angebracht. Die westliche lange Fassade in der Mandlgasse mit fünfzehn Fensterachsen wird durch drei zweiachsige Erkerbänder, zwei am südlichen Ende und eines am nördlichen, akzentuiert. Vom Migazziplatz aus geht es zwischen zwei in Nord-Süd-Richtung ausgerichteten Blöcken in einen schmalen, tiefen Hof, der von langen Seitentrakten und dem rückwärtigen Trakt in der Mandlgasse begrenzt wird. Die vier Stiegenaufgänge darin wurden 1994 durch Aufzugstürme erweitert. Auch die südseitigen Hoffassaden sind mit Balkonachsen ausgestattet.
... und die Kunst
Im Rasenstück vor der zurückgesetzten Baulinie des Blocks entlang der Niederhofstraße steht eine Steinskulptur von Alexander Wahl: "Die Badende", mit der er wohl an das ehemalige Pfann’sche Bad gegenüber erinnern wollte.
Der Name
Der Migazziplatz ist nach Graf Christoph Anton Migazzi (1714-1803) benannt. Er war sowohl Diplomat am Hofe Maria Theresias als auch ein kirchlicher Würdenträger, Erzbischof von Wien und Kardinal. Außerdem war er Präsident der von Maria Theresia für die Unterrichtsreform eingesetzten "Studienhofkommission". Entweder wurde der Platz wegen seiner Verdienste um die Reform nach ihm benannt oder weil die Erhebung von Wien zur Erzdiözese auch die Erhebung der Meidlinger Kapelle zur Pfarre möglich machte.
Architekten
Viktor Fenzl - Viktor Fenzl (1882-1968) studierte an der Technischen Hochschule und der Akademie der bildenden Künste in Wien. Neben seiner Tätigkeit als Architekt lehrte er auch an der technischen Gewerbeschule in Wien. Über sein architektonisches Schaffen ist wenig bekannt. In der Schlöglgasse 28 in Hetzendorf ist von ihm ein frühes Wohnhaus aus dem Jahr 1910 erhalten.
Gustav Hoppe - Gustav Hoppe war der Sohn von Paul Hoppe, einem bekannten Wiener Architekten. Nach seiner Ausbildung im Büro des Vaters studierte er ab 1919 Bauingenieurwesen bei Rudolf Salinger und Prof. Carl Mayreder an der TH Wien. Er übernahm das väterliche Baubüro. Zwischen 1928 und 1946 war Gustav Hoppe Assistent am Institut für Baukonstruktion und Baumechanik. Er wurde zum Baurat ernannt. Während des Zweiten Weltkrieges war er für verschiedene Rüstungsbauten zuständig. Danach war er vor allem im Wohnbausektor tätig. Er entwarf unter anderem eine Wohnhausanlage am Migazziplatz, Wien XII. (1952), sowie zusammen mit Erwin Böck eine Wohnanlage in der Schüttaustraße, Wien XXII. (1955/56), und eine Wohnanlage in der Hernalser Hauptstraße 98, Wien XVII. (1949/50).