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Am Schöpfwerk 29

Fakten

Am Schöpfwerk 29

Am Schöpfwerk 29, 1120 Wien

Baujahr: 1977-1980

Wohnungen: 610

Architekt: Michael Pribitzer, Joachim Peters, Fritz Waclawek, Erich Bauer, Viktor Hufnagl, Leo Parenzan, Traude Windbrechtinger, Wolfgang Windbrechtinger

Wohnen in Wien

In den 1970er-Jahren begann eine erste Sanierungswelle des Wohnungsaltbestands der Stadt Wien, um den Wohnstandard anzuheben. Zusätzlich wurden von 1972 bis 1977 rund 16.500 neue Wohnungen gebaut. Der Wohnungsmangel war beseitigt. Nun sollten sich neue Anlagen auch besser in ihre Umgebung einfügen, sich vom Straßenverkehr abwenden, öffentlich gut erreichbar und vor allem mit der nötigen Nahversorgung ausgestattet sein. Damit rückte auch ein Grundgedanke des "Roten Wien" aus den 1930er-Jahren wieder in den Mittelpunkt: Es wurde wieder Wert auf die Sozialisierung des Wohnens gelegt. 1978 wurde die Grundsteinlegung der 200.000sten Wohnung seit 1923 gefeiert.

Geschichte

Auslöser für das Wohnprojekt "Am Schöpfwerk" war die kritische Ausstellung "Städtische Wohnformen" von Viktor Hufnagl sowie Wolfgang und Traude Windbrechtinger im Jahr 1966. Die Gemeinde Wien stellte im Jahr darauf ein achtköpfiges Architektenteam unter der Leitung von Viktor Hufnagl (1922-2007) zusammen, um das insgesamt 13 Jahre dauernde Bauvorhaben "Am Schöpfwerk" (1967-80) zu realisieren. Das Großprojekt wurde in verschiedene Bauphasen unterteilt und die heute insgesamt 1.707 Wohneinheiten umfassende Schöpfwerk-Siedlung in Ringen organisiert. Die Anlage mit der Hauptadresse Am Schöpfwerk 29 bildet den sogenannten Nord-Ring, mit dessen Bau ein Jahr nach den benachbarten Ost-, Süd- und West-Ringen begonnen wurde.

Die Architektur

Die einzelnen Baublöcke des nördlichen Teils sind geometrisch angeordnet und um Höfe gruppiert. Die Bebauung folgt der im Geviert angeordneten Hofstruktur, wobei jeder Hof mit jenen der anderen Ringe in den Erschließungsachsen durch Lauben- bzw. Durchgänge und Wege verbunden ist. Die an ihrem höchsten Punkt neungeschoßigen Gebäudeblöcke (inkl. EG) sind an den Schmalseiten abgetreppt, wodurch nord- und südseitige Terrassen entstehen. Die Wohnungen an den in Ost-West-Richtung ausgerichteten Längsseiten verfügen hingegen über mit Blumentrögen ausgestattete Loggien.

Das Architektenteam bestehend aus Viktor Hufnagl, Michael Pribitzer, Wolfgang und Traude Windbrechtinger, Erich Bauer, Leo Parenzan, Joachim Peters und Fritz Waclawek folgte bei der Gestaltung der Fassade den Prinzipien der 1970er-Jahre: Der Außenbau besitzt fast keine geschlossene, aufragende Wand, sondern ist abwechselnd in Loggien und großzügig gestaltete, mehrteilige Fenster mit Sprossenteilung aufgelöst. Diese Gestaltungsprinzipien sollten auch wegweisend werden für den kommunalen Wohnbau der 1980er-Jahre.

In die Planung wurde die Wiener Tradition der Höfe, vor allem jene des Roten Wiens, wieder aufgenommen und urban interpretiert. Dabei wurde besonderer Wert auf die Typenvielfalt der Wohnungen gelegt. Die Großanlage ist darüber hinaus mit einer dichten, kleinstadtähnlichen Infrastruktur ausgestattet, die Gemeinschaftseinrichtungen für Bildung und Freizeit vorsieht, darunter eine Volks- und Hauptschule, Kindergärten, Hort, Kinderspielplätze in allen Hofabschnitten, mehrere Klubs, eine abwechslungsreiche Geschäftsinfrastruktur sowie eine Kirche an der Lichtensterngasse, die nach Entwürfen Viktor Hufnagels in den Jahren 1979-81 errichtet wurde.

... und die Kunst

Die Fassade des straßenseitigen Laubengangs, der gleichzeitig den Zugang zu den Stiegen darstellt, wurde von der österreichischen Künstlerin Brigitta Malche (geb. 1938) gestaltet. Die Arbeit trägt den Titel "Rhythmische Farbgestaltung".

Der Name

Der ehemalige Inzersdorfer Weg erhielt 1912 die Bezeichnung "Am Schöpfwerk" nach dem Hebewerk der 1. Wiener Hochquellenwasserleitung.
Die quer dazu verlaufende Lichtensterngasse erhielt ihren Namen im Jahr 1969 nach dem Gründer der österreichischen Keramikindustrie Richard Lichtenstern (1870-1937).

Architekten

Michael Pribitzer - Michael Pribitzer (1926-2004) studierte von 1945 bis 1952 Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Für die Gemeinde Wien war er vorwiegend in Arbeitsgemeinschaften an der Errichtung mehrerer großer Wohnhausanlagen beteiligt, wie etwa am Karl-Honay-Hof in Wien 16, Gablenzgasse 82-86 (1965/66) und der Anlage Sagedergasse 7-11 in Wien 12 (1969-1971).

Joachim Peters - Der Architekt und Keramiker Joachim Peters wurde 1912 in Osterode am Harz (D) geboren. Für die Gemeinde Wien war er vorwiegend in Arbeitsgemeinschaft an der Errichtung mehrerer großer Wohnhausanlagen beteiligt, wie etwa der Anlagen Marcusgasse 4-12 in Wien 14 (1961-1963) und Zanaschkagasse 14 und 16 in Wien 12 (1976-1980). Joachim Peters ist 1987 in Wien verstorben.

Fritz Waclawek - Fritz Waclawek (geb. 1942) studierte ab 1960 Architektur an der Technischen Hochschule, wo er 1966 sein Diplom erhielt. Bereits im Jahr nach seinem Abschluss war er Bauleiter am von Adolf Hoch entworfenen Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus in Wien 20 (1967-1972). Als selbständiger Architekt widmet sich Waclawek vielseitigen Aufgabenbereichen. So war er an der Entwicklung des städtebaulichen Leitplans für die Wohnbebauung am Schöpfwerk in Wien 12 beteiligt (1974-1980), entwarf aber auch Industriebauten wie etwa für die Fleischereimaschinenhalle Sankt Marx in Wien 3 (Baumgasse 68, 1977). 2000 wurde nach seinen Plänen das erste Passivhaus Wiens (Anzbachgasse 36, Wien 14) fertig gestellt.

Erich Bauer - Erich Bauer (1925-1995) studierte von 1946 bis 1951 Architektur an der Technischen Hochschule Wien. Für die Gemeinde Wien war er vorwiegend in Arbeitsgemeinschaften an der Errichtung mehrerer Wohnhäuser beteiligt, wie etwa an den Anlagen Comeniusgasse 2 in Wien 17 (1963-1965) und Zanaschkagasse 14 und 16 in Wien 12 (1976-1980).

Viktor Hufnagl - Viktor Hufnagl (1922-2007) studierte in Wien an der Akademie der bildenden Künste bei Clemens Holzmeister. Ab 1956 als freischaffender Architekt tätig, spezialisierte er sich auf Schul- und Wohnungsbauten. Als revolutionäre Neuerung galt die von Hufnagl 1973 in Wörgl (Tirol) erbaute Hallenschule. Zu den bekanntesten Werken des vielfach ausgezeichneten Architekten zählen die Kirche und die Wohnhausanlage "Am Schöpfwerk" (Wien 12) sowie die Roßauer Brücke (Wien 9 und 2).

Leo Parenzan - Leo Parenzan (geb. 1928) studierte von 1950 bis 1954 Architektur bei Otto Niedermoser an der Hochschule für angewandte Kunst Wien. Unter anderem war er für die Gemeinde Wien an den Entwürfen zu den Wohnhausanlagen Zanaschkagasse 14 und 16 in Wien 12 (1976-1980) beteiligt.

Traude Windbrechtinger - Traude Windbrechtinger (geb. Ketterer, 1922 in Graz) studierte von 1945 bis 1948 bei Friedrich Zotter an der Technischen Hochschule Graz. Nach mehreren Jahren als freie Mitarbeiterin im Büro Heintrich-Petschnigg-Moser in Düsseldorf (D) gründete sie 1956 mit ihrem Ehemann Wolfgang Windbrechtinger ein bis 1995 bestehendes Architekturbüro in Wien. Ihr größtes und wichtigstes Bauvorhaben war der Masterplan zur Wohnverbauung "Am Schöpfwerk" in Wien 12 (mit Viktor Hufnagl u. a., 1974-1981).

Wolfgang Windbrechtinger - Wolfgang Windbrechtinger (geb. 1922 in Ramingstein/Slzbg.) studierte Architektur von 1945 bis 1950 an der Technischen Universität Graz. Er war zunächst in Düsseldorf tätig, bevor er sich in Wien als freischaffender Architekt niederließ, wo er bis zu seiner Pensionierung 1995 ein gemeinsames Büro mit seiner Ehefrau Waltraude Windbrechtinger führte. In Wien und Niederösterreich schuf das Ehepaar vor allem in den 1960er-Jahren zahlreiche Kindergärten. Wolfgang Windbrechtingers wichtigstes Projekt war die Erstellung des Masterplans zur Wohnverbauung "Am Schöpfwerk" (ab 1967) für die Gemeinde Wien. Er baute mit seiner Ehefrau aber auch das Wiener Schauspielhaus in Wien 9 um (1977/78) und konzipierte und gestaltete mit Wilhelm Holzbauer die Fußgängerzone Kärntner Straße in Wien 1 (ab 1969).

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